Greta Thunberg bei einer Fridays for Future Demonstration im Oktober 2021 in Mailand
AFP – MIGUEL MEDINA
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„Greta-Effekt“

Klimaproteste in Medien sind weiblich und jung

Greta Thunberg ist das bekannteste Gesicht der weltweiten Proteste gegen die Klimaerwärmung. Doch nicht nur die schwedische Aktivistin macht die Bewegung zumindest in den Medien „jung und weiblich“. Laut Bildanalysen britischer Forscherinnen werden Klimaproteste fast zur Hälfte mit jungen Demonstrantinnen illustriert.

Politische Proteste kann man aus vielen Blickwinkeln untersuchen, die Medienforschung kennt den Begriff des „Protest-Paradigmas“. Gemeint ist damit die Art und Weise, wie Medien Proteste überwiegend abbilden. Dabei steht das Protestgeschehen selbst im Mittelpunkt, „beispielsweise die Verkehrsbehinderungen, die damit einhergehen“, erklärt Petra Bernhardt, Forscherin zu visueller Kommunikation an der Universität Wien, gegenüber science.ORF.at.

Die Anliegen der Protestierenden rückten dadurch aber in den Hintergrund, aus den Menschen würden „deviante Demonstranten“. Im Kontext von Klimaberichterstattung eine problematische Darstellung, so die Expertin, da die eigentliche Sache, die Zahlen und Fakten zur Klimaerwärmung, in den Hintergrund rücke.

50 Prozent Frauen oder Mädchen

Eine neue Studie des britischen Forscherinnenduos Sylvia Hayes und Saffron O‘Neill von der University of Exeter zum „Greta-Effekt“ stimmt Bernhardt von der Universität Wien aber vorsichtig optimistisch. „Die Studie zeigt in eine spannende Richtung.“ Protestierende werden heute in den Medien demzufolge vor allem jung, weiblich und individuell dargestellt, also nicht mehr im „Protest-Paradigma“.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 13.12., 13.55 Uhr.

Für ihre im Fachblatt „Global Environmental Change“ erschienene Studie untersuchten die Forscherinnen zuerst eine Stichprobe von 1.089 Bildern aus dem Jahr 2019, die Berichte zum Thema „Klimaproteste“ illustrierten. Die Fotos stammen von britischen Onlinezeitungen und von der Stockfotoplattform Gettyimages, die häufig von Medien genutzt wird. Diese unterzogen Hayes und O‘Neill einer zählenden Bildanalyse. Jedes Bild prüften sie dabei auf einzelne Kriterien, etwa ob Personen darin vorkommen, wenn ja, welches Geschlecht diese Personen haben und welches geschätzte Alter.

Das Ergebnis: Fast 50 Prozent der untersuchten Fotos bildeten Kinder bzw. junge Menschen ab, nur 30 Prozent Erwachsene, der Rest einen Mix aus beiden Gruppen oder er war unerkennbar. Fast die Hälfte der Bilder zeigte Mädchen oder Frauen, nur ein Viertel Buben oder Männer, auch hier war der Rest gemischt oder nicht eindeutig zuordenbar.

Greta Thunberg bei einer Klimademonstration im Oktober 2021 in London
AFP – TOLGA AKMEN
Greta Thunberg bei einer Klimademonstration im Oktober 2021 in London

Vorbild Greta

„Das Ergebnis der Kolleginnen ist nicht überraschend“, sagt Bernhardt von der Universität Wien. Auch Protestbewegungen wie „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ würden in letzter Zeit vor allem weiblichen und jungen Zulauf finden. Ähnlich deuten es auch die Studienautorinnen, die das dem „Greta-Effekt“ zuschreiben. Demzufolge würden bei Klimaprotesten Figuren wie Greta Thunberg gerade für jüngere Menschen und für Frauen ein Vorbild sein. Diese würden dann auch öfter demonstrieren und öfter fotografiert werden.

Andererseits schauten sich die Forscherinnen aber auch eine Stichprobe von Bildern aus den Jahren 2001 bis 2009 an. Der Vergleich zu den Fotos aus 2019 zeigte, dass sich nicht nur die Personen änderten, sondern auch, wie diese dargestellt wurden: nämlich deutlich individualisierter, hoffnungsvoller und weniger anonym als noch vor zehn Jahren.

Nicht unbedingt auf Österreich übertragbar

„Das deutet auch deshalb in eine interessante Richtung, da frühere Untersuchungen zu Vorsicht vom Einsatz solcher Bilder in der Klimaberichterstattung geraten haben“, so Bernhardt. Demonstrationsbilder seien angesichts des „Protest-Paradigmas“ wenig geeignet, die Dringlichkeit der Klimaerwärmung auszudrücken, Bilder von Politikern noch viel weniger.

Generell müsse man vorsichtig sein, die Ergebnisse aus Großbritannien auf Österreich oder andere Länder zu übertragen, so Bernhardt. Dazu sei der Medienmarkt zu spezifisch und eine einzelne Untersuchung zu wenig aussagekräftig.