Französische Künstler, die sich aneinander gekettet haben
AFP – NICOLAS TUCAT
AFP – NICOLAS TUCAT
UG-Novelle

„Beste Köpfe werden Österreich verlassen“

Das novellierte Universitätsgesetz begrenzt befristete Arbeitsverhältnisse an Universitäten auf eine Dauer von maximal acht Jahre. Ein viel zu kurzer Zeitraum, um eine Professur zu erlangen, kritisiert nun der wissenschaftliche Nachwuchs. Wenn sich nichts an den Plänen zu den Kettenverträgen ändert, würden „die besten Köpfe Österreichs Unis verlassen“.

Im Frühjahr wurde das Universitätsgesetz novelliert. Neu geregelt wurden dabei auch sogenannte Kettenverträge, aneinandergereihte befristete Dienstverhältnisse. Solche sind in Österreich zwar prinzipiell verboten, im Universitätsgesetz allerdings erlaubt.

Wie bisher dürfen befristete Arbeitsverhältnisse höchstens auf sechs Jahre abgeschlossen werden. Anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden. Die Höchstdauer aller befristeten Verträge zusammen darf aber insgesamt acht Jahre nicht übersteigen. Die Regelung soll zu einer verlässlichen Karriereperspektive führen, argumentiert das Ministerium. De facto würde sie jedoch die Situation an Universitäten weiter verschärfen, argumentieren am Mittwoch Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Nachwuchses bei einem Mediengespräch.

Professur in acht Jahren nicht erreichbar

Eine aktuelle Umfrage unter Projektleiterinnen des renommierten Elise-Richter-Programms des FWF würde zeigen, dass qualifizierte österreichische Wissenschaftlerinnen im Durchschnitt rund 12,5 Jahre vom Doktorat bis zur Professur benötigen, berichtet die Elise-Richter-Netzwerk-Sprecherin Stefanie Widder. „Die de facto Zeiträume von Spitzenkarrieren decken sich also nicht mit den acht Jahren maximale Lebensarbeitszeit, wie sie in der Kettenvertragsregelung vorgesehen sind.“

Die Straffung des Zeitkorsetts würde vor allem Frauen benachteiligen, sagt Widder, die an der Medizinischen Universität Wien forscht. Viele Frauen würden sich in diesem Karriereabschnitt, zwischen 30 und 45 Jahren, auch um Kinder kümmern müssen. Diese Mehrfachbelastung werde durch die Neuregelung noch weniger berücksichtigt als früher. Und auch Karrierewege abseits etablierter Pfade würden schwieriger werden. „Die neue Paragraf 109–Regelung fördert den alten Status Quo und konterkariert bestehende Bestrebungen, die zur Steigerung von Diversität und Gleichstellung gedacht waren.“

Wird nach acht Jahren keine unbefristete Stelle erreicht, müssen die Forscherinnen und Forscher an eine andere Universität wechseln. „Viele beste Köpfe werden den Wissenschaftsstandort Österreich verlassen“, sagt Stefanie Widder. Die Mehrheit der befragten Wissenschaftlerinnen würde derzeit in befristeten Arbeitsverhältnissen stehen. Da die neue Kettenvertragsregelung auch rückwirkend gilt, bräuchte es nun gezielte Maßnahmen, die die negativen Effekte der Regelung abfedern.

Hoher Wettbewerb um unbefristete Stellen

Laut Wissenschaftsministerium soll die neue Regelung zu einer Entprekarisierung von Wissenschaftskarrieren führen. Die Gesamtdauer befristeter Arbeitsverhältnisse werde dadurch auf ein akzeptables Maß begrenzt. Außerdem seien die Universitäten gefordert, attraktive Karrierewege zu entwickeln und umzusetzen. Die Verantwortung werde zwischen Wissenschaftsministerium und Universitätsleitungen hin und hergeschoben, sagt Stephan Pühringer von der Johannes-Keppler-Universität Linz.

Derzeit seien rund 80 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Österreichs Universitäten befristet angestellt. „Das ist auch im internationalen Vergleich ein außergewöhnlich hoher Anteil, etwa im Vergleich zu 42 Prozent in den Niederlanden laut einer aktuellen Studie, 35 Prozent im Vereinigten Königreich und 18 Prozent in Norwegen.“ Die schlechten Karriereperspektiven würden dazu führen, dass viele hochqualifizierte Forscherinnen und Forscher frühzeitig eine akademische Karriere aufgeben. Dem Staat gehe wichtige Forschungsexpertise verloren.

Neue Karrieremodelle gefordert

Unter der neuen Kettenvertragsregelung würde auch die Qualität der Lehre leiden, argumentiert Philipp Sperner, der derzeit am IFK in Wien forscht und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen gerade das „Netzwerk Unterbau“ für gute Arbeit in der Wissenschaft gründet. Gerade in Studienfächern, die auf einen hohen Anteil an Lehrenden angewiesen sind, sei es auf Grund der Kettenvertragsregelung schwierig Personal zu finden. Entfristungen gebe es in diesem Bereich praktisch nicht. Zudem sei die Lehre für Promovierende zunehmend uninteressant. Wird ein Lehrauftrag angenommen, zähle das bereits in die acht Jahre Laufzeit hinein.

Es bräuchte ein einheitliches, bundesweites Konzept für Karrierewege an Universitäten, das auch vielfältige Karrieren abseits einer Professur ermöglicht. Denn nicht jede und jeder würde eine solche anstreben. Damit das gelingt, müsse die Diskussion um Arbeitsbedingungen an den Universitäten breiter geführt werden und dürfe nicht nur auf die Frage befristeter oder unbefristeter Arbeitsvertrag verengt werden. „Es bräuchte die Bereitschaft Hierarchien abzubauen und die inneren Strukturen der Universitäten offener und demokratischer und somit zugänglicher für alle zu gestalten“, so Sperner.