Philippinisches Mädchen, Sprecherin bedrohter Sprache (Ayta Magindi )
AFP/NOEL CELIS
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Prognose

1.500 Sprachen könnten bald verschwinden

Weltweit gibt es ungefähr 7.000 erfasste Sprachen. Ungefähr die Hälfte ist derzeit bedroht, weil sie von immer weniger Menschen gesprochen werden. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten 1.500 Sprachen endgültig verschwunden sein, warnen australische Forscherinnen und Forscher in einer neuen Studie.

Anfang 2022 beginnt die UNESCO-Dekade der indigenen Sprachen. Damit will man die Rechte von Menschen aus Sprachminderheiten stärken. Dazu zählt etwa die Möglichkeit, ihre Sprache überhaupt zu erlernen und diskriminierungsfrei zu sprechen. Denn nur wenn es genug Sprecherinnen und Sprecher gibt, kann man kleine Sprachen vor dem Aussterben bewahren.

Für ihre soeben in „Nature Ecology and Evolution“ erschienene Arbeit haben sich die Forscherinnen und Forscher um Lindell Bromham von der Australian National University die aktuelle Bedrohungslage genauer angeschaut. „Ohne Intervention könnte sich der Verlust an Sprachen in den nächsten 40 Jahren verdreifachen und 1.500 Sprachen würden bis Ende des Jahrhunderts nicht mehr gesprochen werden“, so Bromham in einer Aussendung.

„Große“ Sprachen schlucken „kleine“

Das Team hat 51 Faktoren identifiziert, die für den Erhalt einer Sprache wesentlich sind, dazu zählen etwa wirtschaftliche, politische und rechtliche Voraussetzungen, aber auch Umweltbedingungen können eine Rolle spielen. Manche Zusammenhänge haben die Autorinnen selbst überrascht.

Beispielsweise verschwinden manche Sprachen, wenn die Schulbildung zunimmt, und zwar dann, wenn nicht auf Zweisprachigkeit geachtet wird. Schlecht sei es auch, wenn es in einer Gegend mit vielen indigenen Sprachen immer mehr Straßen und Verbindungen zu größeren Städten gibt. Das helfe den dominanten Sprachen, die die kleinen wie eine Dampfwalze überrollt.

Folge von Kolonialisierung

Das trifft laut den Studienautoren auch für ihre eigenes Land zu. Australien verliere laufend so viele Sprachen wie kein anderes Land, so Coautorin Felicity Meakins von der University of Queensland: „Vor der Kolonialisierung wurden auf dem Kontinent 250 indigene Sprachen gesprochen. Vielsprachigkeit war die Norm. Nun sind es nur mehr 40, und nur zwölf davon werden von Kindern gelernt.“

Bei vielen Sprachen, die verschwinden könnten, gebe es jetzt noch gute Sprecherinnen und Sprecher, betont Bromham. Mit geeigneter Unterstützung ließe sich der Verlust vielleicht noch aufhalten. „Wenn eine Sprache verschwindet oder ‚schläft‘ – wie wir sagen, wenn Sprachen nicht mehr gesprochen werden – verlieren wir viel von unserer kulturellen Vielfalt.“ Und jede Sprache sei großartig auf ihre ganz eigene Art.