Ein eingeschneites Bauernhaus – ein Gasthof
Pierre Teyssot / AFP
Pierre Teyssot / AFP
Smarte Fenster

Kühlen im Sommer und wärmen im Winter

Fenster gehören zu den am wenigsten energieeffizienten Teilen des Hauses: Scheint draußen die Sonne, heizen sie die Innenräume; dreht man die Heizung auf, geben sie Wärme nach draußen ab. Neue smarte Fenster versprechen nun das Gegenteil – und sollen im Sommer kühlen und im Winter wärmen.

Während in Europa zu dieser Zeit des Jahres üblicherweise die Heizung läuft, sind Menschen in vielen anderen Regionen gerade oft auf Klimaanlagen angewiesen. Alleine in den USA verbrauchen diese Klimaanlagen bis zu sechs Prozent der jährlich produzierten Energie des Landes. In der Wissenschaft wird daher seit Jahrzehnten nach umweltfreundlichen Alternativen gesucht.

Bisher galten sogenannte „reflektierende Kühlungssysteme“ als eine vielversprechende Zukunftslösung. Dabei werden Dächer, Mauern und Fenster mit einem bestimmten Material beschichtet, das Sonnenlicht nicht nur reflektiert, sondern auch Wärme abstrahlt. Das Problem: Im Sommer sorgen diese Folien zwar für deutlich geringere Temperaturen in Innenräumen, allerdings setzt dieser Effekt auch unweigerlich im Winter ein. Dadurch erhöhen sich in den kalten Monaten des Jahres die Heizungskosten – die eigentlich umweltfreundliche Alternative wird ineffizienter.

System schaltet automatisch ab

„Es wurde bisher viel zu reflektierenden Kühlungssystemen geforscht, aber fast alle haben in der Vergangenheit dieses Problem ignoriert,“ so Long Yi, Materialforscherin an der technischen Universität Singapur. Sie hat gemeinsam mit ihrem Forscherteam und einem zweiten internationalen Forscherkollektiv nun ein neues System konzipiert, das dieses Problem umgeht. Ihre neuen „modulierenden passiven reflektierenden Kühlungssysteme“ können sich automatisch abschalten, wenn es draußen kalt wird. Die Ergebnisse ihrer Analysen haben Sie nun im renommierten Fachjournal „Science“ (hier und hier) veröffentlicht.

Das Team rund um Keachao Tang präsentierte die neue Technologie angewandt an Hausdächern. Das Team, in welchem auch Long Yi beteiligt ist, konzipierte Fenster nach diesem Prinzip. „Fenster sind der komplizierte Teil,“ so die Materialforscherin. Sie müssten nicht nur Sonnenlicht reflektieren und sich selbst kühlen, sondern auch noch lichtdurchlässig sein. Der Schlüssel zum Erfolg war dann wolfram-dotiertes Vanadiumoxid, welches als oberste Schicht auf dem Glas angebracht wurde.

Das von den Forscherinnen und Forschern entwickelte Glas
NTU Singapore
Das von den Forscherinnen und Forschern entwickelte Glas

Der Vorteil dabei: Das System funktioniert passiv. „Man braucht keinen Strom, das System steigt ganz automatisch von Sommer- auf Wintermodus um“, so die Materialforscherin. In ihrem Experiment setzten sie den Umkehrpunkt auf 27 Grad. Ist es draußen kälter als diese Temperatur, lässt das Glas wieder mehr Licht durchscheinen und der energieabgebende Effekt schaltet sich ab.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 17.12., 13:55 Uhr.

Die Dachbeschichtungen reagierten bereits ab 22 Grad. Damit sei der Grundstein gelegt, diese Technologie auch für Länder mit starkem Jahreszeitenwechsel, wie etwa in Mitteleuropa einzusetzen, so Yi: „Bisher waren reflektierende Kühlungssysteme nur in tropischen Regionen sinnvoll.“

Mechanismus kühlt sich selbst

Bereits seit 2014 wird intensiv an diesen „passiven reflektierenden Kühlungssystemen“ geforscht. Damals gelang es Forscherinnen und Forschern von der Universität Stanford Paneele zu entwickeln, die kühler als ihre Umgebung waren – selbst unter direkter Sonnenbestrahlung. Das Geheimnis beruhte auf einem simplen Prinzip der Physik.

Jedes Objekt, egal ob Mensch oder Gebäude, reflektiert die einfallenden Sonnenstrahlen. Diese Energie wird jedoch durch die glockenartige Erdatmosphäre meist wieder zurückgestrahlt. Infrarotstrahlen mit einer bestimmten Wellenlänge können allerdings durch die Atmosphäre schlüpfen und entkommen. Die Paneele emittieren ihre Energie nun in genau dieser Wellenlänge und können so die Energie direkt ins Weltall schicken. Dadurch sind sie kühler als die meisten anderen Materialien.

Seit 2014 haben Wissenschaftler Sprühfarben, Folien und auch Dach- und Fensterbeschichtungen nach diesem Prinzip entwickelt. „Das Weltall fungiert dabei als unendlicher Kältespeicher,“ so Yi, in welchen man die Energie ableiten kann. Auch die nun konzipierten Fenster und Dächer nutzen das All als Energiespeicher.

Nur wenig teurer

Wann die Technologie auf den Markt kommen werden, das lässt Yi noch offen. „Ich bin Grundlagenforscherin,“ sagt sie, ihre Aufgabe sei nicht, Dinge zu verkaufen, sondern sie zu entdecken. Grundsätzlich dauere so etwas aber gut und gerne zehn Jahre. „Fünf Jahre wäre sehr schon sehr ehrgeizig.“

Die Fenster würden jedenfalls in der Produktion nicht viel mehr als herkömmliche isolierte Scheiben kosten. Zum Schluss aber deutlich mehr Energie sparen: „Bis zu 15 Prozent Energieersparnis kann man mit dieser neuen Technologie erzielen. Und das weltweit,“ also auch in Regonen mit Winter, so die Forscherin.