Knapp über einhundert Jahre ist es her, dass Insulin entdeckt wurde und sich damit die Lebensqualität und Überlebenschance von Diabetikerinnen und Diabetikern auf der ganzen Welt drastisch verbesserte. Bis heute gilt das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Hormon als die effektivste Methode, einen erhöhten Blutzuckerspiegel schnell zu senken.
Manche Personen reagieren auf Insulin aber nicht so, wie sie sollten – die Wirkung des Proteins ist bei ihnen oft abgeschwächt, Betroffene können sogar komplett resistent sein. Zucker und Fette im Blut werden dann nicht wie sonst mittels Insulin zum Muskel- oder Fettgewebe gebracht. Dadurch wird mehr Fett in Fettsäuren aufgespaltet, die sich an Organen festsetzen und die Zuckerproduktion in der Leber erhöhen – Auswirkungen, die oft mit Diabetes oder Fettleibigkeit einhergehen.
Signalprotein als Insulinersatz
Ein Team des US-amerikanischen Salk Instituts hat nun ein zweites Protein identifiziert, das den Blutzuckerspiegel effektiv senken und dabei die Insulinresistenz umgehen kann: FGF1 (engl. „acidic fibroblast growth factor“) wird im Fettgewebe produziert und gehört zur Familie der „Fibroblasten-Wachstumsfaktoren“. Diese FGFs spielen eine wichtige Rolle bei Wachstum und Differenzierung von Zellen.
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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 5.1., 13:55 Uhr.
Die Forscherinnen und Forscher vom Salk Institut zeigten aber bereits in früheren Studien, dass FGF1 bei Mäusen auch gegen Diabetes wirkt. Der Blutzuckerspiegel der Tiere wurde gesenkt und eine längere Behandlung mit FGF1 führte dazu, die Insulinresistenz der Tiere abzuschwächen.
Gleiche Wirkung, andere Enzyme
In der aktuellen, im Fachjournal „Cell Metabolism“ erschienenen Studie konnten die Forscherinnen und Forscher die Hintergründe dieser Effekte an Mäusen genauer analysieren. Wie Insulin kann FGF1 die Fettspaltung (Lipolyse) unterdrücken und so den Blutzuckerwert senken. Auch die Produktion von Zucker in der Leber wurde von FGF1 wie von Insulin reguliert.
Auch wenn die Wirkung sehr ähnlich ist, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied zwischen den Proteinen: Sie nutzen verschiedene Enzyme und Signalwege, um die Fettspaltung zu unterdrücken. Bei Insulin ist bereits länger bekannt, dass es das Enzym PDE3B nutzt. FGF1 erreicht die Wirkung von Insulin jedoch mit dem Enzym PDE4.
Insulinresistenz umgehen
Die zwei parallelen Signalwege hätten einen großen Vorteil, sagt Studien-Erstautor Gencer Sancar. „Wenn der eine wegen einer Insulinresistenz nicht funktioniert, kann der andere helfen.“ Mit FGF1 könne man demnach auch insulinresistenten Personen die Möglichkeit bieten, die Fettspaltung und den Blutzuckerspiegel effektiv zu regulieren.
Die Wirkung von FGF1 und des vom Enzym PDE4 ausgelösten Signalwegs biete neue Möglichkeiten zur Entwicklung von Medikamenten gegen zu hohen Blutzucker und Insulinresistenz. Als „wissenschaftlichen Durchbruch“ bezeichnet Co-Autor Ronald Evans das Resultat der Forschung. Laut ihm sei es nun auch möglich, mehr über den Stoffwechsel generell zu erfahren. In künftigen Studien möchte das Team jedenfalls erforschen, wie die Wirkung von FGF1 noch verbessert werden kann.