Corona-Impfung im Austria Center Vienna
APA/ROBERT JAEGER
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Faktencheck

Omikron könnte an Impfpflicht rütteln

Omikron schreibt die Regeln der Pandemiebekämpfung neu, meinen viele Fachleute. Wenn sehr rasch sehr viele Menschen infiziert sein werden und einen natürlichen Immunschutz aufbauen, könnte sich das auch auf die geplante Impfpflicht auswirken. Gegen die Impfung spricht das freilich nicht, wie ein aktueller Faktencheck zeigt.

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner hat am Dienstag in der ZiB2 sinngemäß gemeint, dass man angesichts von Omikron über die Impfpflicht noch einmal nachdenken müsse: Wie ist das zu verstehen?

In erster Linie einmal nicht als Zweifel an der Impfung generell, das hat Gerald Gartlehner heute auf Nachfrage auch noch einmal bestätigt. Was klar ist und was auch für die sich derzeit aufbauende Omikron-Welle in Österreich gilt: Die Impfung schützt gut vor schweren Erkrankungen. Das höchste Risiko eines schweren Verlaufs haben weiterhin ungeimpfte Menschen, das zeigt auch ein Blick in Länder, wo Omikron schon weiter verbreitet ist als bei uns.

Weniger gut schützt die Impfung vor Ansteckung, also die Dynamik der Ausbreitung wird durch die Impfung schlechter gebremst als zuvor bei Delta. Die Omikron-Welle steht auch in Österreich bevor, und mit diesen vielen Infektionen wird die Immunität in der Bevölkerung einen Sprung nach oben machen. Sie wird dann insgesamt, also durch Geimpfte und Genesene, auf einem sehr hohen Niveau sein, und das wird der Punkt sein, um neu zu bewerten, ob es noch gute Gründe für die Impfpflicht gibt. So ist die Aussage von Gerald Gartlehner zu verstehen.

Auch der Infektiologe Christoph Wenisch hat zuletzt gesagt, dass die Impfstoffe gegen Covid „schwache“ Impfstoffe seien: Ist das ein medizinisches Argument gegen die Impfpflicht?

Da muss man zwei Dinge auseinanderhalten: Was Christoph Wenisch gemeint hat, ist, dass es gegen Covid immer wieder eine Auffrischung brauchen wird – im Unterschied zu Impfungen, die man nur selten auffrischt oder überhaupt nur einmal gibt. Das ist aber eine andere Art von Impfstoffen. Diese Impfstoffe schützen lang und sie schützen auch vor Ansteckung, sind in diesem Sinne also „starke Impfstoffe“.

Zur Frage der Impfpflicht: Da muss man sich anschauen, mit welchem Zweck sie argumentiert wird. Würde eine Impfpflicht gegen Covid damit argumentiert, dass die Krankheit damit ausgerottet wird, wäre das schlicht falsch. Das können die aktuellen Impfstoffe nicht. Was sie können, ist das Risiko eines schweren Verlaufs reduzieren und damit die Krankenhäuser vor dem Kollaps schützen. Ist das der Zweck der Impflicht, hält das medizinisch. Wird aber wie beschrieben bis Februar dieser Zweck durch zigtausende Infektionen erreicht, wird man die Impfpflicht wohl neu bewerten müssen.

Rüttelt Omikron nun an der für Februar geplanten Einführung einer Impfpflicht?

Laut dem Gesundheitsjuristen Karl Stöger, Mitglied im Gecko-Stab der Regierung, könnte das sein. Nämlich dann, wenn durch die zu erwartenden Omikron-Infektionen in der Bevölkerung eine Immunität entsteht, die einer Impfung gleichwertig oder überlegen ist. Zu bedenken sei aber, dass neue, gefährlichere Varianten auftauchen oder Deltaviren weiter zirkulieren könnten, so Stöger im Ö1 Mittagsjournal.

„Das sind medizinische Fragen, die sich aber auf die rechtliche Beurteilung auswirken. Es geht um die Frage, komm ich auch ohne Impfung dorthin, dass das Gesundheitssystem auch im nächsten Winter nicht durch neue Wellen überlastet wird.“ Er rät dazu, das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zur Impfpflicht fortzusetzen, diese gegebenenfalls aber später beginnen zu lassen und in jedem Fall auf die dynamische Lage zu reagieren.

Israel wurde immer als Impfweltmeister und Vorreiter in Sachen Impfung gepriesen. Auch dort schießen die Infektionszahlen aber derzeit in ungeahnte Höhen und es wird bereits zum vierten Mal geimpft. Lässt sich daraus ableiten, dass die Impfung nicht schützt?

Die Impfung schützt in erster Linie gegen schwere Erkrankungen und weniger gegen Infektionen, das sieht man auch in Israel. Der Schutz lässt insbesondere in den Zellen der oberen Atemwege relativ schnell nach, und das Virus kann dort dann wieder andocken. Darauf hat sich Omikron spezialisiert und die Infektionsfähigkeit dort ein bisschen gegen das Eindringen in die Lungenzellen getauscht. Deshalb sieht man auch vergleichsweise viele mildere Verläufe ohne Lungenentzündung und schwere Organschäden – auch in Israel.

Wie ist das Verhältnis von Geimpften zu Ungeimpften aktuell in Spitälern und Intensivstationen? Hat sich dort durch Omikron wesentliches verändert im Vergleich zu früheren Varianten?

Bei schweren Verläufen hat sich im Vergleich zu früheren Varianten wenig geändert. Aus Österreich fehlen uns dazu noch Zahlen, aber in Ländern wie Großbritannien und Dänemark sieht man deutlich, dass geimpfte Menschen ein deutlich reduziertes Risiko einer Spitalsbehandlung haben.

Aussagekräftig ist da auch die Schweiz, wo Omikron mittlerweile zu täglich 15.000 bis 20.000 positiven Tests führt. Dort müssen aktuell – gerechnet auf 100.000 Einwohner – bei den über 60-Jährigen zehnmal mehr ungeimpfte Menschen im Krankenhaus behandelt werden als geimpfte, in den Intensivstationen ist das Verhältnis noch deutlicher. Also an diesem hohen Eigenschutz durch die Impfung hat Omikron bisher noch nichts geändert.