Gemälde von Anton Petter: Schlacht am Marchfeld (ca. 1858)
Public Domain
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Jahr 1278

Massengräber der Schlacht am Marchfeld entdeckt

Die Schlacht am Marchfeld im Jahr 1278 gilt als eine der größten Ritterschlachten Europas – und als Grundstein für den Aufstieg der Habsburger. Außer einem Schwert wurde bisher nichts von dieser Schlacht entdeckt. Nun aber fand man mit Bodenradar Strukturen, die als Massengräber der Zigtausenden gefallenen Ritter gedeutet werden können.

Als Rudolf I. von Habsburg 1273 von den sieben Kurfürsten zum römisch-deutschen König gewählt wurde, hatte er sich überraschend gegen den mächtigen böhmischen König Ottokar II. Přemysl durchgesetzt. Dieser hatte eine enorme Machtfülle angesammelt und war unter anderem Herzog der Häuser Österreich, Steiermark und Kärnten, Krain, Böhmen und Mähren – damit war er auch für die Kurfürsten zu mächtig geworden. Ihnen erschien der kleine Graf Rudolf I. als geringere Gefahr.

Sendungshinweis

„Universum History“: „Der Aufstieg der Habsburger – Schlacht am Marchfeld“, Do. 6. Jänner, 22.35 Uhr, ORF2

Nach seiner Wahl verlangte Rudolf von Ottokar mehrere Herzogtümer zurück, was dieser verweigerte. Rudolf verhängte die Reichsacht über Ottokar und lagerte 1276 mit seinem Verbündeten Ladislaus IV., dem König von Ungarn und Kroatien, und seinem Heer vor Wien. Ottokar musste Rudolf als König anerkennen – doch schon zwei Jahre später suchte er Rache für diese Demütigung.

1278 – Entscheidung am Marchfeld

Ottokar hatte sich die Unterstützung der polnischen Fürsten, der Herzöge von Niederbayern und der Markgrafen von Brandenburg gesichert und zog mit seinem Heer gen Wien. Rudolfs Heer wurde von Ladislaus IV. und rund 4.000 kumanischen Bogenschützen unterstützt. Insgesamt standen sich so am Marchfeld wahrscheinlich rund 30.000 Mann gegenüber.

Ganz entgegen des damaligen ritterlichen und christlichen Ehrenkodex versteckten sich Einheiten Rudolfs im Hinterhalt, fielen dem eigentlich überlegenen Heer Ottokars in die Flanke – Rudolf siegte, Ottokar wurde am Schlachtfeld getötet, und die Ära der jahrhundertelangen Vorherrschaft der Habsburger in Österreich und Europa war besiegelt. Tausende Ritter fielen, doch bis auf ein Schwert zeugt bis heute nichts von dem damaligen Gemetzel.

Universum History: Der Aufstieg der Habsburger – Schlacht am Marchfeld

Sie war eine der größten Ritterschlachten der Geschichte und veränderte die Zukunft Europas für immer: die Schlacht am Marchfeld. Am 26. August 1278 standen einander zwei Dynastien gegenüber – der römisch-deutsche König Rudolf I. aus dem Hause Habsburg und Ottokar II. der böhmischen Premysliden. Der Sieg Rudolfs über Ottokar legte den Grundstein für den beispiellosen Aufstieg des Habsburgerreichs, das in Europa mehr als 6 Jahrhunderte die Fäden ziehen sollte.

Hightech-Archäologie: Schlachtfeld von oben und unten

Das mehr als zehn Quadratkilometer große Schlachtfeld im Umkreis von Jedenspeigen und Dürnkrut im niederösterreichischen Marchfeld ist heute großteils verbaut, landwirtschaftlich genutzt oder nicht mehr zugänglich. Im Zuge einer „Universum History“-Dokumentation wurde dieses für das Schicksal Europas so entscheidende Areal von einem Team des Ludwig Boltzmann Instituts (LBI) für Prospektionsarchäologie untersucht.

Die Drohnen des Ludwig-Boltzmann-Institutes für archäologische Prospektion überfliegen mit 3D-Laserscannern das ehemalige Schlachtfeld im Marchfeld
ORF/Interspot
LBI-Drohne überfliegt mit 3-D-Laserscannern das ehemalige Schlachtfeld

Spezialflugzeuge und Drohnen bestückt mit 3-D-Laserscannern wurden über das ehemalige Schlachtfeld bewegt und sorgen für ein präzises Geländemodell, mit Quads gezogene Magnetfeldsensoren blicken tief ins Erdreich. „Menschliche Eingriffe lassen sich auch noch nach Jahrtausenden durch kleinste Veränderungen im Erdmagnetfeld nachweisen. Ganz wichtig ist aber das Bodenradar: Elektromagnetische Wellen durchleuchten das Erdreich und liefern dreidimensionale Bilder aus dem Untergrund. Und – wir sind fündig geworden“, sagt Wolfgang Neubauer, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion.

Ottokars Lagerplatz und Kochtöpfe

Wo haben die Heere gelagert, wo die Feldherren? Wurden Befestigungen gebaut oder Gräben ausgehoben und vor allem: Wo sind die Tausenden Gefallenen? Einige dieser Fragen konnte das Team des LBI vermutlich klären. Von Rudolf weiß man, dass er sein Lager strategisch günstig auf einem Hügel errichtete, währenddessen Ottokar aus bisher unverständlichen Motiven in der Ebene im offenen Feld lagerte.

„Unsere Messungen haben genau da eine kreisförmige Struktur im Boden gezeigt, Spuren einer alten Rundburg aus Holz, die jedenfalls schon lange vor der Schlacht da war“, so Neubauer. Hier gab es also schon eine Infrastruktur, ein Dorf, das die Truppen versorgen konnte, und das war wahrscheinlich der Grund, warum Ottokar hier sein Lager aufschlug.

Das Team des LBI entdeckte eine Rundburg, die es schon lange vorher dort gegeben hat, diese bestehende Infrastruktur samt umliegenden Dörfern hat Ottokar offenbar genutzt
Copyrigth ORF/Interspot/LBI archpro
Die vom LBI-Team entdeckte Rundburg

Aber auch Oberflächenfunde zeugen von den damaligen Ereignissen – das Team fand den Fuß eines Grapen. „Der Grapen ist ein Kochtopf, durchaus gängige mittelalterliche Keramik. Gut möglich, dass er vom Tross Ottokars stammt“, mutmaßt Neubauer.

Massengräber für Tausende Tote?

Außer einem Schwert wurde in dieser Gegend noch nichts Bedeutendes gefunden. Die Besiegten wurden nach der Schlacht sicher geplündert, man nahm ihnen Waffen, Schmuck, die Rüstungen – doch das große Rätsel bleiben die Tausenden Gefallenen. Aus Untersuchungen eines mittelalterlichen Schlachtfelds im schwedischen Gotland weiß Neubauer, dass die Toten oft in der Nähe von Kirchen begraben wurden. Doch die umliegenden Dörfer wurden im Zuge des Geschehens vernichtet.

So sucht das Team nach alten Besiedelungs- und Dorfstrukturen. Wenige Kilometer vom Schlachtfeld entfernt liegt offenbar eine ehemalige Rundburg samt Dorf und Kirche. Neben den üblichen, kleinen Gräbern finden sich große rechteckige Strukturen mit einer Grundfläche von 50 Quadratmetern. „Es ist schon sehr spannend, dass wir das gefunden haben. Es sieht so aus, als ob diese Anomalien wirklich die Massengräber der Schlacht von 1278 sein könnten. Es wäre aufregend, dort Grabungen zu machen, dann würden wir sehr viel mehr über diese Schlacht erfahren“, meint Wolfgang Neubauer.

Nahe des Schlachtfeldes wurden Strukturen eines Dorfes und einer Kirche gefunden. Die umliegenden Gräber waren alle in blicher Größe, zwei Gruben allerdings 50m2 groß. Dort könnten die Gefallenen der Schlacht beerdigt worden sein.
C.LBI/Interspot/ORF
In den zwei schwarzen Rechtecken links der Kirche – zwei rund 50 m2 große Gruben – könnten die Gefallenen beerdigt worden sein

Virtueller Blick in jahrtausendealten Schmelztiegel

Das Marchfeld ist seit Jahrtausenden besiedelt, von der Stein- über die Bronzezeit, von der Zeit der Germanen an der March übers Mittelalter bis heute. Um alle Strukturen und Funde den jeweiligen Epochen zuzuordnen, entwickelten Fachleute des LBI archpro eine eigene Software.

Erst diese gefinkelte, wissenschaftliche Analysemethode macht es möglich, die Dörfer und Gräberfelder der Bronze- und Steinzeit von den Relikten der großen Schlacht im Marchfeld zu trennen. Und endgültigen Aufschluss bekommt man erst – wie bei den vermeintlichen Massengräbern – durch eine Grabung.