Mann im Londoner Zentrum mit FFP2-Maske und Aktentasche, im Hintergrund: rote Telefonzellen
APA/AFP/Tolga Akmen
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Omikron

Mildere Verläufe in allen Altersgruppen

Die sprunghafte Vermehrung der Omikron-Variante hat in Londoner Spitälern dramatische Notsituationen ausgelöst. Auffallend ist jedoch auch: Omikron führt zu relativ milden Verläufen – und zwar quer durch die Bevölkerung.

Derzeit sind die Blicke der kontinentaleuropäischen Länder gen Großbritannien gerichtet, wo die Omikron-Welle bereits ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte. Einige Lehren, die man aus dem bisher Bekannten ziehen kann: Während die Zahl der CoV-Patienten und -Patientinnen teils sprunghaft ansteigt, gilt dies nicht unbedingt für die Zahl der genutzten Beatmungsplätze an Krankenhäusern. Beatmungen dürften also bei Omikron-Infektionen nur selten notwendig sein.

Mild bedeutet nicht harmlos

Die bereits in Südafrika festgestellten milden Verläufe lassen sich nun auch in Großbritannien beobachten. Der positive Trend dürfte offenbar nichts oder zumindest wenig mit der äußerst jungen Bevölkerung Südafrikas zu tun haben, wie noch vor wenigen Wochen vermutet wurde. Jörg Timm von der Universitätsklinik Düsseldorf zog am Mittwoch bei einem Seminar des deutschen Science Media Center den Schluss: „Es kommt tatsächlich über alle Altersgruppen zu etwas weniger schweren Verläufen. Das gilt auch für die Ungeimpften“ – siehe Video.

Entwarnung bedeutet das freilich nicht, für schwerwiegende Probleme kann auch die neue Virusvariante sorgen, nicht zuletzt durch die immens hohe Zahl an Infektionen, mit denen in den nächsten Wochen zu rechnen ist. Nur dass in diesem Fall eher die Normalstationen an den Krankenhäusern an ihre Kapazitätsgrenzen kommen könnten – und weniger, wie bei Delta, die Intensivstationen. Organschäden sind laut einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf auch bei milden Verläufen möglich, etwa bei Herz, Lunge und Nieren. Mild bedeutet also nicht automatisch harmlos.

Interessant ist jedenfalls, dass man mittlerweile mechanistisch erklären kann, warum sich Omikron in der Regel anders verhält als Delta. Laut Experimenten in der Zellkultur sowie im Tiermodell kann sich Omikron zwar gut in Zellen der oberen Atemwege vermehren, bei der Infektion von Lungenzellen tut sich die Variante indes relativ schwer. Ein Befund, der gut mit dem übereinstimmt, was Kliniker über den Zustand ihrer Patienten und Patientinnen berichten: In tieferen Lungenabschnitten ist die Viruslast meist relativ gering – und somit auch das Risiko, dass es ebenda zum Überschießen der Immunreaktion und einem organischen Kollaps kommt.

Hauptsymptom: Müdigkeit

Dementsprechend verändert ist auch die Palette der körperlichen Beschwerden. Clemens Wendtner von der Klinik Schwabing in München sieht nach Analyse der Daten aus Südafrika und Großbritannien vor allem Müdigkeit als Hauptsymptom: „Fatigue steht bei den Patienten sehr im Vordergrund. Geschmacks- und Geruchsstörungen, die ja sonst ein Warnsignal waren, sich auch testen zu lassen, gibt es offensichtlich weniger.“ Das könnte dazu führen, dass Omikron-Infektionen häufiger durch das Nachweisnetz schlüpfen und somit von den Behörden übersehen werden.

Völlig unklar ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wie sich Omikron auf Long Covid auswirkt. Offen bleibt auch die Frage, ob Kinder unter fünf Jahren häufiger von relativ schweren Erkrankungen betroffen sein könnten.