Der Komplexitätsforscher Peter Klimek
APA/HANS PUNZ
APA/HANS PUNZ
Wissenschaftler des Jahres

Komplexitätsforscher Peter Klimek

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek ist Österreichs Wissenschaftler des Jahres 2021. Gewählt haben den unermüdlichen Covid-19-Prognostiker und -Mahner die Mitglieder des Klubs der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen. Heute forscht Klimek mit Hilfe riesiger Datenmengen zu Gesundheitsthemen. Zur Physik brachte ihn als Jugendlicher jedoch ein anderes Forschungsfeld: die Quantenphysik.

Schon als Jugendlichen faszinierten Peter Klimek die Quantenteleportationsexperimente von Österreichs wohl bekanntestem Forscher, dem Quantenphysiker Anton Zeilinger. So startete er sein Physikstudium an der Universität Wien. Seine Diplomarbeit schrieb er auf dem Gebiet der theoretischen Quanteninformation am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dann wandte sich sein Interesse jedoch der Chaos-Forschung zu.

Als PhD-Student heuerte Klimek bei Stefan Thurner an, mit dem er heute am Complexity Science Hub (CSH) Vienna und an der Medizinischen Universität (MedUni) Wien zusammenarbeitet. In der Forschungsgruppe für Komplexe Systeme der MedUni näherte sich Klimek verschiedensten Forschungsfragen an. Darunter waren auch Arbeiten zu gesellschaftlichen Problemen wie der Bürokratie und medizinischen Fragestellungen. Die Basis waren immer Daten, die er mittels computergestützter methodischer Zugänge analysierte. Der Physiker wurde zum Komplexitätsforscher.

Auszeichnung seit 1994

Der Klub der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen vergibt seit 1994 jährlich den Titel des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin des Jahres. Er zeichnet damit u. a. die Fähigkeit aus, wissenschaftliche Arbeit einer breiten Öffentlichkeit verständlich vermitteln zu können.

Spitzen gegen die Coronavirus-Politik

Letztlich habe sich gezeigt, dass man mit Datenforschung einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen kann, so Klimek. Das tut der nunmehrige Preisträger auch im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie, die er und das Team am CSH etwa im Rahmen des Covid-Prognosekonsortiums begleiten.

Dabei teilte Klimek auch mehrfach Spitzen gegen die Politik aus wegen epidemiologisch kaum nachvollziehbarer Maßnahmensetzungen oder -lockerungen bzw. wegen deren Trägheit in der Pandemiebekämpfung: „Anscheinend ist die Strategie, das Virus mit unvorhersehbaren Öffnungsschritten zu verwirren“, sagte Klimek etwa angesichts angekündigter Öffnungsschritte bei steigenden Zahlen im März 2021.

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek
APA/HANS PUNZ
Peter Klimek vor der Coronavirus-Ampel

Mehrfach bemängelte er den zu langen politischen „Bremsweg“. Nicht zuletzt sah der stets besonnene Wissenschaftler angesichts von Politikeraussagen, die die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich just vor dem sich neuerlich abzeichnenden Lockdown im Herbst beförderten, das Land „einen Schritt weiter zur Bananenrepublik“ zu setzen.

Vermittlung als Herausforderung

Mittlerweile gehört Klimek zu den am häufigsten in den Medien auftretenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und wird zunehmend auch zu seinen politischen Einschätzungen befragt. „Ich habe die Aufgabe des Wissenschaftlers immer schon so verstanden, dass Kommunikation ein großer Teil davon ist.“

Es gehe auch darum, weniger wissenschaftsaffinen Menschen erklären zu können, „warum das etwas Cooles und Sinnvolles ist“, sagte der Forscher, der seine Vermittlungsarbeit nun auch viel mehr in den politischen Kontext einbetten musste und seine Aussagen mitunter plötzlich auch politisch verwendet sieht: „Das war sicher eine neue Herausforderung.“

Sich auf einmal in den meistgesehenen Nachrichtensendungen wiederzufinden war für Klimek ebenso neu. Er habe sich früher oft darüber „innerlich extrem aufgeregt“, dass dort Menschen auftraten, „die zehn Minuten reden und nichts sagen. Da habe ich mir vorgenommen: Sollte ich einmal dort sitzen, sage ich einfach, was los ist.“ Er schätze es, dass man als Wissenschaftler vielfach freier sprechen könne als so mancher Politiker – „selbstverständlich immer verankert in der Evidenz, wo es unser Tagesgeschäft ist, diese aufzubereiten“.

Immer am Laufenden bleiben

Das Wichtigste für die „Pandemieerklärer“ sei, „dass man einfach immer am Laufenden und am neuesten Stand bleibt, bei dem, wie sich die Forschungsergebnisse entwickeln. Ich möchte den Leuten sagen, dass wir diese Aufgabe wahrnehmen und sehr ernst nehmen“, betonte Klimek. Wie rasch sich alles verändern kann, zeige nicht zuletzt die neue Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Erregers.

Ö1-Sendungshinweis:

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek ist am 11.1. zu Gast in Punkt eins, um 13.00 Uhr in Ö1.

Bei den fast schon zur Routine gewordenen Medienauftritten versuche er, sich „selber treu zu bleiben“, sagte der Vater zweier kleiner Kinder. Zu seinen Aussagen bezüglich der Wissenschaftsfeindlichkeit hierzulande habe er etwa sehr viel positive Rückmeldung bekommen. Man müsse jedenfalls weiter herausstreichen, wie die Wissenschaft zur Lösung der Pandemie beiträgt, und die Themenführerschaft nicht „ein paar tausend Leuten, die am Ring laut schreien“, überlassen.

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek
APA/HANS PUNZ
Peter Klimek

Große Palette an Themen

Die Palette der Themen, mit denen sich Klimek auf Basis von Daten auseinandersetzt, ist groß: So wies er mit einer eigens entwickelten statistischen Methode diverse Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in aller Welt nach, befasste sich mit dem Wandel von Trends in der Popmusik oder wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen.

Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt jedoch seit Langem im medizinischen Bereich. „Wir wollen verstehen, wie gesund wir Österreicherinnen und Österreicher eigentlich sind“, so Klimek. Ein ständiger Begleiter ist dabei die im internationalen Vergleich oft schwierige Verfügbarkeit von Daten, aus denen sich wichtige Erkenntnisse ableiten lassen – ein Aspekt, den Klimek auch im Verlauf der Pandemie mehrfach kritisch angesprochen hat.

Fehlende Datenkultur

„Das ist ein Problem, das fällt uns immer wieder im Pandemiemanagement auf den Kopf, aber auch im Gesundheitssystem, dass wir zwar an sich gute Datensätze hätten, aber dass wir keine Kultur haben, diese Daten auf sichere Weise zusammenzuhängen und für politische Entscheidungen und wissenschaftliche Forschungen aufzubereiten“, sagte Klimek im Ö1 Mittagsjournal.

Das Austrian Micro Date Center, eine neue Forschungsplattform der Statistik Austria, sei ein erster wichtiger Schritt – doch es brauche mehr solcher Initiativen, um eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik in Österreich möglich zu machen.