Autos auf chinesischer Autobahn, darüber Smog
AFP -GREG BAKER
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Luftverschmutzung

Wohnadresse zeigt Coronavirus-Ansteckungsrisiko

Je stärker verschmutzt die Luft, desto höher ist das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken: Das bestätigt eine neue Studie aus dem norditalienischen Varese. Die Stadt ist generell von Luftverschmutzung betroffen, laut Studie gibt es aber auch innerhalb der Stadt Unterschiede – die Wohnadresse hängt mit dem Infektionsrisiko zusammen.

Schon ein jährlicher Anstieg von einem Millionstel Gramm Feinstaub pro Kubikmeter könnte zu fünf Prozent mehr Ansteckungen führen. Bei 100.000 Menschen wären das 294 zusätzliche Coronavirus-Fälle, so die Forscherinnen und Forscher, die für ihre Studie Varese auswählten. Die von Industrie geprägte Stadt liegt in der Lombardei – jener norditalienischen Region also, die von der Pandemie besonders stark getroffen wurde.

Neben Feinstaub, der laut Studie sehr deutlich mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko in Verbindung steht, untersuchten die Forscherinnen und Forscher auch die Belastung durch Stickstoffdioxid, Stickoxid und Ozon. Die Studie, die im Fachmagazin „Occupational & Environmental Medicine“ veröffentlicht wurde, sei „ein erster solider empirischer Beleg“ für eine Verbindung zwischen langfristiger Luftverschmutzung und Coronavirus-Ansteckungszahlen.

Schadstoffbelastung pro Quadratkilometer

Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass Luftverschmutzung ein Risikofaktor für eine Ansteckung mit dem Coronavirus ist. Laut dem Forschungsteam um Giovanni Veronesi von der Universität Insubrien in Varese seien diese aber aufgrund von Mängeln im Studiendesign und der Tatsache, dass sie nur Daten bis 2020 berücksichtigen, von eingeschränkter Aussagekraft.

Für die aktuelle Studie wurde die Schadstoffbelastung von knapp 63.000 volljährigen Einwohnerinnen und Einwohner von Varese während des gesamten Jahres 2018 herangezogen. Dazu wurden die Wohnadressen den jährlichen und saisonalen Durchschnittswerten von Feinstaub, Stickstoffdioxid, Stickoxid und Ozon in einem Gebiet von einem Quadratkilometer zugeordnet.

Von den knapp 63.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hatten sich von Beginn der Pandemie bis zum März 2021 über 4.400 mit dem Coronavirus angesteckt. Nach Berücksichtigung von verschiedenen Faktoren, wie etwa Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen, ergab die Studie, dass die Belastung durch Luftverschmutzung „signifikant mit einer erhöhten Covid-19-Infektionsrate in Verbindung gebracht werden“ könne. Der gefundene Zusammenhang zwischen Ansteckungsrisiko und Feinstaubbelastung sei bei Menschen über 55 besonders deutlich sichtbar gewesen.

Norditalien besonders von Luftverschmutzung betroffen

Veronesi und sein Team betonen, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handle. Um eindeutig zu belegen, dass die Luftverschmutzung das höhere Ansteckungsrisiko verursache, sei weitere Forschung notwendig. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen ihre Ergebnisse aber auch als Aufforderung an die Politik verstanden wissen: Um die Belastung des öffentlichen Gesundheitssystems durch Covid-19 zu verringern, müssen die Bemühungen zur Reduzierung der Luftverschmutzung verstärkt werden.

Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) zufolge leben die meisten der fast vier Millionen Europäerinnen und Europäer, an deren Wohnorten die Luftverschmutzung die europäischen Grenzwerte überschreitet, in Norditalien.