Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
Artensterben

Immer mehr Pestizide in der Landwirtschaft

Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ist ein wichtiger Faktor für das weltweite Artensterben. Nicht nur Insekten, auch Vögel und andere Tiere werden geschädigt bzw. verlieren ihre Nahrungsgrundlage. Ein neuer „Pestizid-Atlas“ der Umweltorganisation Global 2000 zeigt, dass der Einsatz der Pflanzenmittel global seit Jahren steigt. Förderanreize, diese Tendenz umzukehren, fehlen – auch in Österreich.

Mehr als 80 Prozent aller landwirtschaftlichen Anbaukulturen in Europa sind von Bestäubern wie Bienen und anderen Insekten abhängig. Doch deren Zahl sinkt seit Jahrzehnten dramatisch. Mitverantwortlich ist der weitreichende Einsatz von Pflanzenmitteln. Denn Pestizide wirken nicht nur dort, wo sie wirken sollen. Sie schaden auch Nützlingen und vielen anderen Arten, auch dem Menschen. Spuren von Pestiziden, die etwa hormonell wirksam sind, findet man im Trinkwasser, auf heimischen Gletschern und selbst dem Eis der Polkappen.

Milliardengeschäft mit Pestiziden

Obwohl die gesundheitlichen und ökologischen Folgen bekannt sind, steigt der Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft weltweit: Derzeit liegt er laut Pestizid-Atlas der Umweltorganisation Global 2000 bei vier Millionen Tonnen pro Jahr. Bei der Hälfte handelt es sich um Herbizide, die gegen Unkraut eingesetzt werden – ein bekanntes Beispiel ist das umstrittene Glyphosat, das wichtige Mikroorganismen und Würmer im Boden schädigt.

Und der Pestizidmarkt soll laut Prognosen weiter wachsen – um 11,5 Prozent bis 2023 auf mehr als 110 Milliarden Euro. Wieviel Pestizide eingesetzt werden, hänge vor allem mit der Art der Landwirtschaft zusammen, sagt Dagmar Gordon von Global 2000. „Wer viel Weinbau, viel Apfelanbau und in Hinsicht auf den Pestizideinsatz ähnlich problematische Kulturen hat, der hat auch einen hohen Pestizidverbrauch“, so Gordon. In Europa betreffe das Länder wie Spanien oder Frankreich.

Österreich stagniert auf hohem Niveau

Auch in Österreich stagniere der Einsatz von Pestiziden auf einem hohen Niveau, so Gordon. Das sei allerdings nicht verwunderlich, weil die hiesige Förderlandschaft eigentlich keine Anreize biete, maßgeblich und nachhaltig auf Pestizide zu verzichten, sagt Gordon.

Der steigende Einsatz von Pestiziden weltweit ist ein wesentlicher Faktor für die abnehmende Artenvielfalt: Pestizide vernichten nicht nur Schädlinge und Unkraut, sondern auch wichtige Mikroorganismen im Boden; sie schaden Würmern und Insekten, deswegen fehlt wiederum die Nahrungsgrundlage. „Natürlich trifft dieser Artenschwund dann in letzter Konsequenz das Ende der Nahrungskette, uns Menschen, weil viele Dinge einfach nicht mehr so funktionieren, wie sie funktionieren sollen, damit unsere Ernährung sichergestellt ist“, sagt Gordon.

Neue Förderstrukturen gefordert

Das betrifft etwa die Fruchtbarkeit von Böden und die Bestäubungsleistung vieler Insekten. Die Europäische Union hat sich eigentlich das Ziel gesetzt, den Pestizideinsatz in Europa bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Dass das in Österreich gelingen wird, hält Gordon für fraglich. Hier fehle es an genauen Daten zum Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.

„Wir können diese 50-Prozent-Reduktionsziele nicht erreichen, wenn wir nicht wissen, welche Pestizide und wie viel angewendet wird, und wenn wir keine Hebel in der Hand haben, um Reduktion möglich zu machen“, sagt Gordon. Die hiesigen Landwirte und Landwirtinnen brauchten Unterstützung beim Verzicht auf Pestizide, sagt Gordon – was das Know-how betrifft und finanziell.

Export von verbotenen Pestiziden stoppen

Von der Europäischen Union fordert Global 2000 einheitliche, nachvollziehbare Standards, etwa was den Export von Pestiziden betrifft. Nach wie vor können europäische Produzenten Pestizide, die in Europa längst verboten sind, in Länder des Globalen Südens exportieren. „Diese Pestizide kommen über Früchte oder Soja wieder zu uns zurück“, so Gordon.

Es handle sich um Giftstoffe, die in Europa aus gutem Grund in der Landwirtschaft verboten seien, erläutert die Mitarbeiterin von Global 2000 weiter. Die Arbeiterinnen und Arbeiter im Globalen Süden sind diesen Giftstoffen auf den Feldern ausgesetzt, die in Europa aus gesundheitlichen und arbeitsrechtlichen Überlegungen nicht eingesetzt werden dürfen.