Rekonstruktion von Omo 1:  Abguss im Musée des Civilisations Noires de Dakar, Senegal
Homo sapiens

„Omo 1“ lebte schon vor 230.000 Jahren

Die ältesten bekannten Überreste eines Homo sapiens in Ostafrika sind vermutlich 36.000 Jahre älter als bisher angenommen. Die in Äthiopien entdeckten Überreste des Schädels „Omo 1“ sind demnach rund 230.000 Jahre alt – und zählen zu den ältesten weltweit.

Bereits im Jahr 1967 wurden in Äthiopien die Überreste früher Vertreter des Homo sapiens entdeckt – darunter auch die Knochen von „Omo 1“, der nach seinem Fundort in der Nähe des Flusses Omo benannt ist. Lange Zeit wurde das Alter der Knochen von „Omo 1“ auf etwa 197.000 Jahre geschätzt. Auf dieses Ergebnis kamen Forscher im Jahr 2005, nachdem sie Ascheschichten im Gebiet der Knochenfunde analysiert hatten.

„In diese Ergebnisse sind aber auch einige Vermutungen miteingeflossen, was Alter und Herkunft dieser Asche betrifft“, erklärt die Vulkanologin Celine Vidal von der Universität Cambridge gegenüber dem ORF. Die technologischen Möglichkeiten hätten es damals noch nicht zugelassen, das Alter von „Omo 1“ anhand der ihn umgebenden Ascheschichten exakter zu bestimmen. Genau das hat ein internationales Forscherteam um Vidal nun nachgeholt und seine Ergebnisse im Fachjournal „Nature“ präsentiert.

Die Forscher bei der Untersuchung der Ascheschichten
Alan Deino 2018
Die Forscher bei der Untersuchung der Ascheschichten

Asche stammt von Vulkan Shala

„Die Überreste von ‚Omo 1‘ wurden unter mehreren Erd- und Ascheschichten gefunden. Wenn man das Alter der Schichten kennt, die direkt über dem Knochenfund liegen, kann man auch das minimale Alter der darunterliegenden Überreste relativ gut bestimmen“, erklärt die Vulkanologin. Grundsätzlich gilt: Liegt eine Ascheschicht tiefer als die Knochen, ist sie älter als der Fund, wenn sie darüber liegt, ist sie jünger. In Äthiopien gibt es eine solche Ascheschicht, die sehr knapp über den Knochen gefunden wurde, und liefert damit einen Anhaltspunkt, das Alter von „Omo 1“ zu berechnen.

Die Untersuchung der Asche fand in zwei Teilen statt. Die Forscherinnen und Forscher sammelten zuerst Informationen über weit zurückliegende Vulkanausbrüche in Äthiopien und analysierten zahlreiche Vulkangesteins- und Ascheproben. Dann untersuchten sie unter anderem den Zerfall des in der Asche vorkommenden Elements Argon. Die bisherige Forschung von Vidal kam ihr dabei zugute: „Ich setze mich schon lange mit Vulkanausbrüchen in Äthiopien auseinander und habe mich auch bereits damit beschäftigt, wie man die Ausbrüche anhand des damals ausgestoßenen Materials datieren kann.“ Das Team wusste also ungefähr, wann welcher Vulkan im Gebiet von Äthiopien aktiv war.

„Neben der Datierung von einzelnen Vulkanausbrüchen haben wir auch sozusagen ‚den Fingerabdruck‘ der Asche, also die darin enthaltenen Minerale analysiert, die es am Fundort von ‚Omo 1‘ gibt“, erklärt Vidal. Die Zusammensetzung der Asche unterscheide sich abhängig vom Vulkan, aus dem sie kommt. Verbunden mit dem Wissen über frühere Vulkanausbrüche kam das Forscherteam zu seinem Ergebnis. „Die Asche von ‚Omo 1‘ muss vom Vulkan Shala stammen, der dort vor etwa 200.000 bis 250.000 Jahren ausgebrochen ist“, so Vidal.

Omo-Kibish-Gesteinsformation in Äthiopien
Céline Vidal 2018
Omo-Kibish-Gesteinsformation in Äthiopien

Umstrittene „Rekordgeschichte“

Lange Zeit galten die Knochenfunde von Omo Kibish in Äthiopien als die ältesten Relikte unserer Art. Doch im Juni 2001 berichteten Forscher von einer spektakulären Entdeckung in einer Karsthöhle nordwestlich von Marrakesch: Die menschlichen Kiefer, Zähne und Knochen schätzten sie auf ein Alter von 300.000 Jahren.

„Im Gegensatz zu anderen Funden des Mittelpleistozäns trägt ‚Omo 1‘ aber eindeutige Züge von Homo sapiens“, betont die Paläoanthropologin und Studienmitautorin Aurelien Mounier in einer Aussendung. „Seine neue Datierung macht den Schädel zum ältesten unumstrittenen Homo sapiens in Afrika.“

Rund 233.000 Jahre alt

Das minimale Alter von „Omo 1“ schätzte das Team auf etwa 233.000 Jahre. „Das ist immer noch kein sehr exaktes Ergebnis, denn das minimale Alter kann laut unseren Untersuchungen auch um etwa 22.000 Jahre nach oben oder unten schwanken. Wir zeigen aber klar auf, dass die bisherigen Annahmen über ‚Omo 1‘ nicht ganz korrekt sind“, so Vidal gegenüber science.ORF.at. Eine Ascheschicht vom Vulkan Shala, die über dem Knochenfund liegt, sei demnach unmöglich, wenn „Omo 1“ tatsächlich vor weniger als 200.000 Jahren gelebt hätte.

Dass „Omo 1“ wahrscheinlich um etwa 36.000 Jahre älter ist als bisher vermutet, passt laut der Vulkanologin auch besser mit derzeitigen Annahmen über die menschliche Evolution zusammen: „Wir gehen in der Wissenschaft immer noch davon aus, dass die modernen Menschen in Afrika entstanden sind und sich von dort auf die ganze Welt ausgebreitet haben. Aktuell vermutet man etwa, dass Homo sapiens vor rund 200.000 bis 250.000 Jahren in Afrika gelebt haben.“ Eine Annahme, die auch mit dem Ergebnis von Vidals Forschung übereinstimmt.

Maximales Alter noch unklar

Das minimale Alter der ältesten Überreste von Homo sapiens konnte das Team anhand der Ascheschicht genauer denn je berechnen, beim maximalen Alter gibt es laut Vidal aber noch einige Unklarheiten. „Mit unserer Methode können wir das Alter von Ascheschichten bestimmen – sofern wir Daten zu den dazugehörigen Ausbrüchen haben.“

„Am Fundort von ‚Omo 1‘ gibt es zwar eine weitere Ascheschicht mehrere Lagen unter den Überresten, wir wissen bis jetzt aber noch nicht, von welchem Vulkanausbruch diese stammen.“ In weiteren Studien möchte Vidal jedoch das minimale Alter von „Omo 1“ noch exakter einschränken und auch versuchen, das maximale Alter der Knochen zu erforschen.