Frau schläft mit Schlafbrille
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Fremd vs. vertraut

Gehirn unterscheidet Stimmen im Schlaf

Rund um die Uhr überwacht das Gehirn die Umgebung – auch während des Schlafes. Dabei reagiert es auf fremde Stimmen anders als auf vertraute, wie eine Studie der Uni Salzburg zeigt.

17 Versuchspersonen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren verbrachten für die Studie eine ganze Nacht lang im Schlaflabor. Während sie schliefen, wurden ihnen Aufnahmen vorgespielt: Sie hörten den eigenen Vornamen – gesprochen von einer fremden und von einer vertrauten Person, etwa einem Elternteil. Und sie hörten zwei andere Vornamen – ebenfalls gesprochen von einer fremden und von einer vertrauten Person.

Acht Stunden lang maß das Forschungsteam um den Psychologen Mohamed S. Ameen vom Labor für Schlaf- und Bewusstseinsforschung der Universität Salzburg die Gehirnaktivität der Probandinnen und Probanden mittels Elektroenzephalogramm (EEG). Dabei reagierte das Gehirn anders auf fremde als auf vertraute Stimmen, nämlich aktiver.

Aktiv auch im Tiefschlaf

„Wir haben uns im EEG angesehen, wie das Gehirn auf die verschiedenen Stimuli reagiert“, so Ameen im Gespräch mit science.ORF.at. Wurde den Versuchspersonen eine fremde Stimme vorgespielt, seien die K-Komplexe – im EEG sichtbare Wellenmuster – besonders auffällig gewesen. Zwar lösten auch vertraute Stimmen K-Komplexe aus, allerdings mit einer weit geringeren Intensität. Ob die schlafenden Versuchspersonen ihren eigenen oder einen anderen Namen hörten, machte hingegen keinen im EEG bemerkbaren Unterschied in der Reaktion der Probandinnen und Probanden.

Die Ergebnisse, die die Forscherinnen und Forscher in einem Artikel beschreiben, der im „Journal of Neuroscience“ erschienen ist, legen nahe, dass der Mensch auch im Tiefschlaf Informationen über seine Umgebung verarbeitet.

Gehirn vollbringt Balanceakt

Bisherige Forschung zeigte bereits: Je „wichtiger“ ein Reiz, umso eher werden K-Komplexe ausgelöst. Unbekannte Stimmen stellen demnach einen bedeutsameren Reiz dar als vertraute, schlussfolgern die Forscherinnen und Forscher im Artikel. Oder – „aus evolutionärer Sicht betrachtet“ – ein höheres Bedrohungspotenzial. Für erholsamen Schlaf sei eine sichere Umgebung sehr wichtig, so Ameen, denn „im Tiefschlaf sind wir am verwundbarsten“.

Vor Tausenden von Jahren sei der Mensch im Schlaf nicht sicher gewesen – er konnte jederzeit angegriffen werden. Und auch heute noch gebe es für viele Menschen Situationen, in denen sie auch während des Schlafes aufpassen müssen, was um sie herum geschieht, so Ameen. Um beispielsweise den läutenden Wecker nicht zu überhören, müsse das Gehirn aber auch bei jenen wachsam bleiben, die die Nacht sicher und behütet im eigenen Schlafzimmer verbringen.

Jede Nacht wägt das Gehirn also ab, ob ein Umgebungsreiz wichtig genug ist, um den Schlaf zu stören. Die Fähigkeit fremde von vertrauten Stimmen zu unterscheiden, ist nur ein Beispiel für diesen Balanceakt.

Gewöhnungseffekt setzt ein

Was sich während der Studie im Schlaflabor am Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften der Uni Salzburg zudem zeigte: Je weiter die Nacht fortgeschritten war, umso vertrauter wurden die fremden Stimmen und umso seltener und geringer fielen die im EEG sichtbaren Reaktionen aus. Ein Zeichen dafür, dass das Gehirn möglicherweise auch während des Schlafes lernt, so die Forscherinnen und Forscher.

„Je mehr man sich an eine Umgebung gewöhnt, umso besser schläft man“, sagt Ameen. Das treffe auch auf Geräusche zu: „Wenn jemand neben einer Bahnstrecke wohnt, wacht er anfangs vielleicht einige Zeit lang vom Geräusch der Züge auf. Nach einiger Zeit hat er sich aber daran gewöhnt und schläft entspannt weiter.“ Er selbst sei als er aufwuchs, etwa häufig mit der Geräuschkulisse des Fernsehers eingeschlafen. „Und heute schlafe ich immer noch am besten ein, wenn nebenbei der Fernseher läuft“, so der Psychologe.