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APA/dpa-Zentralbild/Matthias Hie
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Schätzung

1,2 Mio. Tote durch Antibiotika-Resistenzen

Mehr als 1,2 Millionen Menschen weltweit sind 2019 einer Schätzung zufolge unmittelbar an einer Infektion mit einem antibiotikaresistenten Erreger gestorben. Bei fast fünf Millionen Todesfällen war eine solche Infektion laut den Angaben zumindest mitverantwortlich.

Wenn Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen entwickeln, können auch an sich harmlose Infektionen tödlich enden. Eine internationale Gruppe von Expertinnen und Experten untersuchte das Ausmaß dieses Problems. Laut ihrer Schätzung gehören Antibiotika-Resistenzen zu den häufigsten Todesursachen weltweit, wie das Fachmagazin „The Lancet“ berichtet.

Von Antibiotikaresistenz sprechen Ärztinnen und Ärzte in der Regel, wenn Patientinnen und Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum also – anders als erhofft – nicht vernichtet werden.

„Bisher umfassendste Analyse“

Die Forscherinnen und Forscher hatten für das Jahr 2019 Daten aus der Fachliteratur, aus Krankenhaus-Datenbanken, Überwachungssystemen und anderen Quellen zusammengetragen und diese analysiert. Über statistische Modellierungen prognostizierten sie die Krankheitslast für verschiedene Regionen, auch für solche, aus denen keine Daten vorlagen.

Insgesamt betrachteten die Forschenden 204 Länder und Regionen, 23 krankmachende Bakterien und 88 Kombinationen von Bakterien und Antibiotika. Die nun vorliegende Analyse sei die bisher umfassendste. Als Schwächen ihrer Studie nennen die Forscher dennoch die begrenzte Datenverfügbarkeit in einigen Teilen der Welt und die unterschiedlichen Quellen für die Daten, die zu Verzerrungen führen können.

Kinder unter fünf besonders gefährdet

4,95 Millionen Todesfälle standen der Studie zufolge in Verbindung mit einer Antibiotika-resistenten bakteriellen Infektion, auch wenn die direkte Todesursache womöglich eine andere war. 1,27 Millionen Menschen starben unmittelbar an einer Infektion mit einem resistenten Bakterium – ohne Resistenzen seien diese Todesfälle also vermeidbar gewesen. Zum Vergleich: An HIV/Aids starben 2020 geschätzt 680.000 Menschen, an Malaria 627.000.

Am stärksten betroffen waren der Studie zufolge Länder im westlichen Afrika südlich der Sahara. Dort habe es auf 100.000 Menschen fast 24 Todesfälle gegeben, die sich unmittelbar auf eine Infektion mit einem resistenten Erreger zurückführen ließen. In reichen Ländern lag die Rate bei 13 Todesfällen auf 100.000 Einwohner. Kinder unter fünf Jahren seien am stärksten gefährdet.

100.000 Todesfälle durch „Krankenhauskeim“ MRSA

Zu Problemen mit Resistenzen kam es den Forscherinnen und Forschern zufolge besonders häufig bei Infektionen der unteren Atemwege, also etwa einer Lungenentzündung. Diese allein verursachten 400.000 Todesfälle. Besonders viele Menschen starben auch infolge von Blutvergiftungen und Blinddarmentzündungen, weil die Infektion aufgrund resistenter Erreger mit Antibiotika nicht beherrschbar war.

Zu den Keimen, die am häufigsten Probleme mit Resistenzen verursachten, gehörten Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae. Allein der gefürchtete Krankenhauskeim MRSA – Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – verursachte demnach 100.000 Todesfälle.

„Kurskorrektur notwendig“

„Diese neuen Daten legen das wahre Ausmaß des Problems antimikrobieller Resistenzen weltweit offen und sind ein klares Signal, dass wir jetzt handeln müssen“, so Mitautor Chris Murray von der University of Washington. „Wir müssen diese Daten nutzen, um den Kurs zu korrigieren und Innovationen voranzutreiben, wenn wir im Wettlauf gegen Antibiotika-Resistenzen die Nase vorn haben wollen.“

Ziel müsse sein, Infektionen weitgehend zu vermeiden, „durch verbesserte Hygiene und durch Impfungen“. Außerdem müsse der unzweckmäßige Einsatz von Antibiotika – etwa bei viralen Infektionen, die grundsätzlich nicht auf Antibiotika ansprechen – reduziert werden. Neue Antibiotika müssten entwickelt und auf den Markt gebracht werden.