Eine Ärztin zieht eine Coronavirus-Impfung auf
AFP – JACK GUEZ
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Coronavirus

Für wen die vierte Impfung sinnvoll ist

Seit einigen Wochen wird in Israel bereits die vierte Impfung gegen das Coronavirus verabreicht. Wie sinnvoll sie für gesunde Menschen ist, ist umstritten. Für Menschen mit Vorerkrankungen habe sie aber in jedem Fall Vorteile, so der Wiener Mediziner Roman Reindl-Schwaighofer.

Auch die vierte Impfung schütze nicht ausreichend gegen Omikron, so das vorläufige Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Sheba Medical Center in Tel Aviv. Für die Studie wurden 150 Menschen mit einer vierten Dosis des Impfstoffes von Biontech Pfizer geimpft. 120 weitere mit einer vierten Dosis von Moderna.

Die Ergebnisse waren in beiden Gruppen ähnlich: Die Antikörper stiegen – sogar auf ein höheres Niveau als nach der dritten Impfung – aber immer noch zu wenig, um einen guten Schutz gegen Omikron zu geben, so Studienleiterin Gili Regev jüngst in einer Aussendung.

Mehr Antikörper bei Omikron nötig

Der Humanmediziner und Nephrologe Roman Reindl-Schwaighofer von der Medizinischen Universität Wien erklärt, warum man für Omikron viel mehr Antikörper benötigt als noch für Delta oder die Vorgängervarianten: „Wegen der Mutationen bei Omikron können sich die Antikörper weniger spezifisch an die Omikronviren binden. Deswegen braucht man ein höheres Antikörperlevel, um einen ähnlich guten, schützenden Effekt zu haben“.

Reindl-Schwaighofer hatte letztes Jahr untersucht, wie die dritte Impfung bei 200 Menschen mit einem sehr schlechten Immunsystem wirkt, speziell bei solchen, denen ein Organ transplantiert wurde.

Impfantwort verbessert sich

Nur ein Drittel dieser stark immungeschwächten Patientinnen und Patienten bildeten nach der ersten und zweiten Impfung überhaupt Antikörper aus. Bei den anderen bildete nach der dritten Impfung wieder ein Drittel erstmals Antikörper, manche sogar erst nach der vierten Impfung. Denn 120 der Patienten haben mittlerweile bereits die vierte, fünfte oder sechste Impfung erhalten.

Bei diesen immunsupprimierten Menschen führe die Mehrfachimpfung dazu, dass die Impfantwort verbessert werden könne, so Reindl-Schwaighofer. „Das ist noch nicht publiziert, aber das ist das, was wir jetzt in diesen Analysen unserer Studienpopulation über die Zeit gesehen haben.“

Antikörper nach drei Monaten am Höhepunkt

Man konnte auch beobachten, dass Menschen, die nach zwei oder drei Impfungen nur eine geringe Immunantwort ausgebildet hatten, besser auf die vierte, beziehungsweise fünfte Impfung angesprochen haben. Drei Monate nach einer Impfung sei der Höhepunkt der Antikörper meist erreicht, danach gehe es wieder bergab.

Der Infektionsschutz, der durch die Antikörper erreicht werde, verhindert im besten Fall eine akute Erkrankung. Gleichzeitig bildet sich aber auch eine Immunantwort in den Zellen, die sogenannten T-Zellen. Diese schützen auch längerfristig vor einem schweren Verlauf. Darüber wisse man aber immer noch zu wenig, so Reindl-Schwaighofer.

Therapie zur Vorbeugung

Auch immungeschwächte Menschen bilden diesen zellulären Schutz aus – wenn auch in geringerem Ausmaß. Besonders Menschen, denen ein Organ eingesetzt wurde, sind hier im Nachteil: Sie müssen Medikamente einnehmen, die verhindern, dass das Organ wieder abgestoßen wird. Zugleich verhindern die Medikamente aber auch das Bilden einer zellularen Immunantwort.

Um solche Patientinnen gegen Omikron zu schützen, gibt es seit kurzem eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern zur Vorbeugung, um eine Infektion zu verhindern.

„Für Risikogruppen erwägenswert“

Auch wenn der Nutzen einer vierten Impfung nicht eindeutig positiv ist, für Risikogruppen sei sie auf jeden Fall erwägenswert, sagt Reindl-Schwaighofer: „Da gehören natürlich auch ältere Menschen dazu, die auch eine Form von nicht adäquater Immunantwort auf Impfungen haben. Bei denen wird eine frühere vierte Impfung sicher auch ein Thema sein.“

Mehr Impfungen bringe grundsätzlich eine stärkere Immunität mit sich, wie man eben auch bei der Booster-Impfung gesehen habe. Den Zugang der Israelis halte er daher für sehr vernünftig. Dort werden seit einigen Wochen ältere Menschen, sowie Menschen mit Immunschwäche, aber auch Pflegepersonal zum vierten Mal geimpft.

Österreich noch zurückhaltend

Das österreichische Corona-Gremium Gecko hat bisher noch keine Empfehlungen für die vierte Impfung ausgesprochen. Der österreichische Gesundheitsminister äußerte sich gestern ebenfalls zurückhaltend: Die bisherigen Erkenntnisse würden noch nicht ausreichen, um eine vierte Impfung derzeit anzupeilen.

Reindl-Schwaighofer geht davon aus, dass es bald eine adaptierte Version des Impfstoffes geben wird, „der dann die Mutationen von Omikron besser abdeckt." Dann würden auch niedrigere Antikörperlevel wieder eine bessere Wirkung haben – so wie bei den bisherigen Varianten.