Frau mit Maske schaut in eine Auslage
AFP/JOE KLAMAR
AFP/JOE KLAMAR
Ungleichheit

Die ökonomischen Verlierer der Pandemie

Die zehn reichsten Milliardäre weltweit konnten laut einer neuen Studie in der CoV-Pandemie ihr Vermögen verdoppeln. Auf der anderen Seite hat die Pandemie viele wirtschaftlich sehr hart getroffen. In Österreich zählen dazu v.a. Frauen, Selbstständige und Geringverdiener, wie der Ökonom Wilfried Altzinger erklärt.

science.ORF.at: Herr Altzinger, IT-Firmen wie Google und Amazon haben in der Pandemie riesige Gewinne eingefahren, die Immobilienpreise schnellten in die Höhe, womit auch die Vermögenswerte der Reichen weiter gestiegen sind. Diese Woche ging eine aktuelle Oxfam durch die Medien, in der es heißt, die zehn reichsten Milliardäre konnten in der Pandemie ihr Vermögen verdoppeln. Hat sich die soziale Ungleichheit auch in Österreich durch die Pandemie verschärft?

Zur Person

Wilfried Altzinger ist Co-Leiter des Instituts für Verteilungsfragen an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Links

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 21.1., 13:55 Uhr.

Wilfried Altzinger: Das kann man definitiv so sagen, ja. In Österreich haben die Corona-Förderungen bei den Unternehmen vieles abgefedert, auf der Strecke geblieben sind dabei aber die Soloselbständigen. Bei diesen Ein-Mann oder Ein-Frau-Unternehmen sind die Anträge relativ schwierig umsetzbar und kompliziert, von der Antragstellung über die Überprüfung bis zur Ausschüttung. Das Problem betrifft relativ viele Menschen und darüber hinaus auch andere Selbständige, etwa im Kunstbereich. In diesem ganzen Bereich gibt es sicher viele Verlierer und Verliererinnen.

Wer zählt bei den Unselbständigen, den Arbeitnehmenden, zu den Verlierern der Pandemie?

Altzinger: Bei Menschen mit niedrigem Einkommen und prekären Arbeitsverhältnissen ist die Arbeitslosigkeit am stärksten gestiegen, das zeigen die Zahlen deutlich (zum Beispiel hier in einem Bericht des Momentum – Instituts, Anm. der Redaktion). Bei den Haushalten, die auch schon vor der Pandemie in sozial benachteiligten Verhältnissen gelebt haben, ist die Situation deshalb sicherlich noch einmal verschlechtert worden. Dazu kommen die beengten Wohnverhältnisse: Bei jenen, die einigermaßen komfortable Wohnverhältnisse haben, ist natürlich auch das Homeoffice einfacher oder leichter machbar als in ärmlichen, beengten Wohnverhältnissen.

Also haben auch die Kinder aus solchen Familien den Abstand zu ihren reicheren Klassenkameraden vergrößert?

Altzinger: Die Betreuungspflichten sind während Corona stark gestiegen. Wie wir alle wissen, mussten Eltern hier neben dem Homeoffice ihre Kinder bei den Schulaufgaben betreuen. Das klappt eben besser oder schlechter, je nachdem in welchen Wohn- und Lebensverhältnissen die Familien sind. Da hat sich sicherlich die Situation auch für die Kinder in den ärmeren Haushalten noch einmal verschärft.

Im Oxfam-Bericht steht, dass auch Frauen besonders betroffen sind: Global betrachtet hätten 13 Millionen Frauen durch die Pandemie ihre Arbeit verloren.

Altzinger: Frauen sind von der Pandemie sogar doppelt betroffen. Es arbeiten viel mehr Frauen als Männer in Teilzeit, und ihre Arbeitsverhältnisse waren von vornherein im Durchschnitt sehr viel unsicherer als jene der Männer. Man weiß auch, dass viel mehr Frauen als Männer die Kinderbetreuung im privaten Bereich während der Pandemie übernommen haben. Das war zum einen unbezahlte Arbeit, und zum anderen wurden dann bei der bezahlten Arbeit die Stunden eben noch weiter heruntergekürzt.

Gibt es aktuelle Zahlen zur Veränderung der Einkommenssituation seit der Coronavirus-Pandemie?

Altzinger: Wir haben noch keine verlässliche Datenlage, um die Gesamteffekte der Covid-Lage für die unteren 20 Prozent der Einkommensklassen in Österreich abzubilden. Unsere Zahlen umfassen zum Beispiel 2021 noch gar nicht. Dass die Pandemie auch hier zu mehr Ungleichheit geführt hat, kann man aber jetzt schon abschätzen.

Was kann man tun, damit sich diese Ungleichheit nicht noch weiter verschärft?

Altzinger: Global betrachtet brauchen wir Instrumente, um die Steuerkriminalität besser bekämpfen zu können. Ich komme einmal mehr auf die „Panama Papers“ zurück, die schon vor inzwischen fünf Jahren veröffentlicht wurden, wo sich gezeigt hat, dass Unternehmen mannigfaltige logistische Möglichkeiten haben, und Steuern extrem minimieren konnten. Da bräuchte es ein schärferes Kontrollsystem. Innerhalb der OECD gibt es da bereits relativ gute Ansätze. Bis diese jedoch umgesetzt werden, dürfte es doch noch eine gewisse Zeit dauern.

Diese Woche haben rund 100 Millionäre weltweit in einem offenen Brief von den Regierungen gefordert, eine Vermögenssteuer für Superreiche einzuführen …

Altzinger: In Österreich sollte man sich auf jeden Fall überlegen, die Erbschaftssteuer wieder einzuführen und Vermögenssteuern generell anzuheben. Denn diese ist im internationalen Vergleich sehr niedrig, während Arbeitseinkommen in Österreich besonders hoch versteuert werden muss.