Passanten mit Masken in der U-Bahn Passage Karlsplatz
AFP/ALEX HALADA
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CoV-Pandemie

Welche Strategien jetzt möglich sind

Trotz steigender Infektionszahlen fordern viele derzeit eine Lockerung der CoV-Maßnahmen, die Regierung ist vorerst dagegen. Ist es zu früh für solche Diskussionen? Was spricht für, was gegen mögliche Lockerungen? Und welche kurz- und langfristigen Strategien wären jetzt denkbar? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Wie viel sagen die täglichen gemeldeten Tests aus?

Nicht viel, wenn man nur auf die Gesamtzahl blickt. Möchte man eine Dynamik ablesen, ist es vermutlich sinnvoller, Regionen herauszunehmen, in denen das Testen noch einigermaßen funktioniert, und wo auch die Meldefehler bereinigt wurden, wie z. B. in Wien: Da zeigt sich im Jänner von Woche zu Woche ein Sprung um rund 50 Prozent nach oben. Das dürfte auch der Dynamik in den anderen Bundesländern entsprechen, nur dass durch unterschiedliche Fehler im Testsystem das nicht so sichtbar wird. Vermutlich ist die Dynamik momentan noch sehr hoch, auch wenn die täglichen Zahlen eine Art Plateau suggerieren, und es wird noch weiter nach oben gehen. Dadurch kann man den Schluss ziehen, dass die Pandemie in Österreich noch nicht abebbt, und wir uns noch mittendrin in der Omikron-Welle befinden.

Wie sieht es in Ländern aus, die schon weiter sind, z. B. in Spanien? Das Land ändert gerade seine Gesundheitspolitik – man will das Coronavirus so wie die Grippe behandeln: Ist das ein Vorbild für Österreich?

Spanien, aber auch andere Länder mit ähnlichen Debatten wie Dänemark und Großbritannien verfügen über ein höheres Level an Immunisierung in der Bevölkerung. Und die Omikron-Welle flaut schon ab. Österreich ist noch nicht so weit. Was man aus der Grippedebatte in Spanien mitnehmen kann, ist, dass sich die Instrumente und Akteure des Pandemiemanagements wohl verändern werden, und dass man sich darauf vorbereiten sollte; in eine ähnliche Richtung diskutiert man auch in den USA schon.

Was kann man sich darunter konkret vorstellen?

Beispiel Influenza: Sie wird in Österreich durch ein Netzwerk an Arztpraxen und Krankenhäusern gemonitort. Praktische Ärzte und Ärztinnen sowie Krankenhäuser schicken Proben von Patienten mit Verdacht auf die echte Grippe an das Institut für Virologie in Wien, dort werden diese Proben analysiert, und man weiß dadurch, wann wie viel und vor allem auch welche Grippestämme kursieren. Ein ähnliches Netzwerk inklusive Impfungen wird man auf lange Sicht wohl auch für SARS-CoV-2 brauchen, das jedes Jahr im Herbst wiederkommen wird. Man müsste also ein derartiges Monitoring-System vorbereiten und auch den Blick auf alle Viren der Atemwege erweitern, um dafür gesamthaft Schwellenwerte etwa in der Krankenhausauslastung zu definieren und rechtzeitig handeln zu können, je nachdem welche Variante kommt, vom Coronavirus, aber auch von der Influenza.

Wie entwickelt sich die Spitalsbelegung in anderen Ländern?

Es bestätigt sich das Bild, das sich schon seit Ausbreitung der Omikron-Variante abzeichnet: Es sind insgesamt weniger Menschen in den Krankenhäusern als in den letzten Wellen, das zeigen die Zahlen übereinstimmend aus Ländern wie Dänemark, Großbritannien, Spanien und der Schweiz. Ganz drastisch im positiven Sinn ist der Unterschied bei den Patienten mit künstlicher Beatmung, in Großbritannien mussten vor einem Jahr rund 4.000 Personen beatmet werden, in der Omikron-Welle waren es maximal 900. Aber: Mehr Menschen brauchen Betreuung in einer Normalstation, denn Covid-19 ist bei vielen nach wie vor kein leichter Schnupfen. Auch hier sollte man sich anschauen, ob und wie man die Hausärztinnen und -ärzte für die Betreuung zu Hause stärken kann – die Schweiz macht das zum Beispiel mit recht großem Erfolg.

Was weiß man über die neue Omikron-Variante BA.2?

Man weiß nach wie vor relativ wenig darüber, außer dass sich diese Untervariante derzeit in mehreren europäischen Ländern ausbreitet, auch in Österreich. Ihr Erbgut sieht etwas anders aus, vor allem jenes Eiweiß, mit dem das Virus an die Körperzellen andockt. Deshalb gab es Spekulationen, dass diese Untervariante dem Immunsystem noch besser entwischen könnte, Zahlen aus Dänemark deuten in diese Richtung. Aber es gibt bisher keine Hinweise, dass diese Untervariante schwerere Verläufe verursacht – das ist zumindest vorerst eine gute Nachricht.

Was heißt das alles für die kommenden Wochen: Kann man den Lockdown für Ungeimpfte langsam beenden? Kann man die Sperrstunde nach hinten legen? Werden diese Dinge bald möglich?

Der Höhepunkt der Omikron-Welle ist noch nicht überschritten und nach wie vor gilt, dass die Impfung sehr effektiv vor einem schweren Verlauf schützt. Aber klar ist auch: Das Ziel aller Maßnahmen war immer, die medizinische Versorgung für alle aufrechtzuerhalten. Wenn sie nicht gefährdet ist, wäre wohl der erste Schritt, den Lockdown für Ungeimpfte aufzuheben – auch weil er rechtlich an eine hohe Krankenhausauslastung gekoppelt ist. Und dann kann man nach der Omikron-Welle und vor allem in den Frühling hinein auch andere Maßnahmen lockern. Wie hier priorisiert wird, ist nicht zuletzt eine politische Entscheidung.