Frosch
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Regeneration

Fröschen wachsen amputierte Beine nach

Fröschen wachsen Beine, die sie verloren haben, nicht mehr nach. Versorgt man die Wunde aber mit einem bestimmten Arzneimittelcocktail, kann das gelingen, wie US-Forscher berichten. Sie wollen die Superregeneration künftig an Säugetieren testen – und halten auch einen Einsatz bei Menschen für möglich.

Ob durch Unfälle oder Krankheiten wie etwa Diabetes – viele Personen sind wegen fehlender Gliedmaßen in ihrem Alltag eingeschränkt. Um die Funktion verlorener Arme oder Beine zumindest zum Teil wieder herzustellen, sind Betroffene derzeit auf passende Prothesen angewiesen. Anders als Tiere wie zum Beispiel Salamander haben Menschen keine Möglichkeit, Gliedmaßen auf natürlichem Weg nachwachsen zu lassen.

Das könnte sich in – ferner – Zukunft aber ändern, denn ein US-amerikanisches Forscherteam um Nirosha Murugan von der Tufts Universität arbeitet an einer neuen Behandlung für verlorene Gliedmaßen. In einer Studie, die aktuell im Fachjournal „Science Advances“ präsentiert wird, konnten die Autorinnen und Autoren damit erste Erfolge bei Afrikanischen Krallenfröschen erzielen.

Silikonkappe setzt Regeneration in Gang

Im Gegensatz etwa zu Axolotln oder Seegurken, die als Meister der Regeneration gelten, wachsen Krallenfröschen verlorene Körperteile nicht mehr nach. Um die Regeneration dennoch in Gang zu setzen, entwickelte das Forscherteam aus den USA einen Arzneimittel-Cocktail, der in einer Art Silikonkappe direkt an der Wunde kürzlich amputierter Gliedmaßen angebracht wird. „Wir haben im Rahmen der Studie 115 Krallenfrösche mit solchen Silikonkappen ausgestattet“, erklärt der Biologe und Senior-Autor der Studie, Michael Levin, gegenüber dem ORF. Allen Fröschen wurde zuvor ein Hinterbein amputiert.

In der von dem Forscherteam als „BioDome“ bezeichneten Silikonkappe ist ein Gel mit fünf Arzneimitteln enthalten, darunter etwa Wachstumshormone und eine Retinsäure. „Mit diesem Mix wird verhindert, dass Narbengewebe die Wunden verschließt, und die Zellen und Nerven werden angeregt zu wachsen“, erklärt der Biologe. Ein Teil der Frösche erhielt im Rahmen der Studie eine Silikonkappe mit dem Arzneicocktail, eine Kontrollgruppe bekam die Kappe ohne die medizinischen Inhaltsstoffe.

Hinterbeine fast voll funktionsfähig

„Eine einmalige Behandlung mit dem ‚BioDome‘ hat ausgereicht, um klare Ergebnisse zu erzielen“, so Levin. Nach nur 24 Stunden wurden den Tieren die Silikonkappen abgenommen, in den darauf folgenden 18 Monaten analysierte das Team die Entwicklung der Gliedmaßen.

Die Frösche, die den Arzneimittel-Cocktail bekommen hatten, entwickelten in dieser Zeit neue Hinterbeine. „Die Knochenstruktur war sehr ähnlich zu natürlich gewachsenen Gliedmaßen“, erklärt Levin. Die nachgewachsenen Hinterbeine seien fast voll funktionsfähig und würden auch auf äußere Einflüsse wie Berührungen reagieren. „Die Frösche konnten sich so wieder von Flächen abstoßen und auch ohne größere Probleme schwimmen“, so Levin.

Die Silikonkappe mit den Arzneimitteln setze molekulare Vorgänge in den Körpern der Frösche in Gang, die kein weiteres Einmischen der Forscher erfordern. Das Wachstum und die Anordnung des Gewebes gehe dabei rein von den Tieren aus. „Das ist ein zentraler Vorteil der Behandlung“, so Levin, der ergänzt: „Wir wissen bis heute noch nicht, wie man ein funktionsfähiges Bein aus Zellen baut – im Körper der Frösche ist diese Information aber gespeichert. Der Vorgang läuft also selbstständig ab, nachdem der Regenerationsprozess aktiviert ist.“ Eine weitere Besonderheit an der Behandlung: Der Mix aus Arzneimitteln ist laut dem Forscherteam nicht speziell für Frösche entwickelt worden, er könnte also auch bei anderen Tieren wirken.

Studie mit Säugetieren geplant

Dass es nur eine 24-stündige Behandlung braucht, um derartige Ergebnisse zu erzielen, sei für das Forscherteam ein Hinweis dafür, dass Frösche und eventuell auch weitere Tiere ungenutzt schlummernde Regenerationsfähigkeiten haben, die durch bestimmte Methoden aktiviert werden können. Für Levin sei das Ergebnis der Studie ein wichtiger Schritt, diese Fähigkeiten besser zu erforschen.

Der Biologe sieht außerdem großes Potenzial in der Behandlung. Er erklärt: „Der von uns zusammengestellte Arzneicocktail war unser erster derartiger Versuch.“ Mit geringen Anpassungen könnten die Silikonkappen demnach noch effektiver gemacht werden. „Wir möchten natürlich auch herausfinden, ob wir die Methode an Säugetieren anwenden können“, so der Biologe. Dementsprechende Untersuchungen seien bereits geplant. „Ich bin mir sicher, dass wir die Behandlung sogar irgendwann dazu nutzen können, auch Gliedmaßen von Menschen nachwachsen zu lassen“, zeigt sich Levin optimistisch. Bis dahin seien aber noch zahlreiche Untersuchungen nötig.