Karl-Lueger-Denkmal in Wien
APA/ROLAND SCHLAGER
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Denkmalschutz

„Wir schützen auch Unbequemes“

Welche Funktion hat ein Denkmal? Soll es ehren, erinnern oder mahnen? Für den Präsidenten des Denkmalamts Christoph Bazil ist das mitunter eine Gratwanderung, gerade bei umstrittenen Relikten wie etwa dem Lueger-Denkmal.

„Schützen, Forschen, Pflegen und Vermitteln“ sind laut amtlichem Leitbild die Aufgaben des Bundesdenkmalamts, das sein Hauptquartier stilecht in der Wiener Hofburg hat. Diese Begriffe zeigen schon an, dass es dabei um weitaus mehr als das „Einfrieren“ der einen oder anderen historischen Fassade geht, sondern vielmehr um das umfassende Bewahren unseres kulturellen Erbes – von der Frühzeit bis zur Gegenwart.

Seit 2019 steht der Jurist und ausgewiesene Experte für Denkmalschutz Christoph Bazil als Präsident an der Spitze dieser Institution, die in den letzten Jahren nach einer harschen Kritik des Rechnungshofs einer Reform unterzogen wurde. In dem Bericht war 2017 unter anderem von schweren Managementfehlern und einer Kostenexplosion bei einem IT-Projekt die Rede gewesen.

Ideologischer Streit

Mitunter gerät der Denkmalschutz in hochpolitische Affären. So tobt seit Jahren ein ideologischer Streit um das Lueger-Denkmal an der Wiener Ringstraße. Die Statue für den christlich-sozialen Bürgermeister Karl Lueger – der vor 120 Jahren Wien mit seinen Reformen zwar in die Moderne führte, aber auch ein antisemitischer Populist war, die antijüdische Stimmung kräftig anheizte und mithalf, den ohnehin bereits vorhandenen Antisemitismus noch fester in der österreichischen Gesellschaft zu verankern – wurde 1926, in der Ersten Republik, lange nach dem Tod Luegers errichtet; und zwar von einer ungewöhnlich breitgefächerten Allianz: Unter der Ägide des sozialdemokratischen Bürgermeisters Karl Seitz und finanziert von christlich-sozialen Spendern auf der einen und einer umfangreichen Dotation der jüdischen Industriellenfamilie Rothschild auf der anderen Seite.

Mehr als 80 Jahre danach, 2009 brach ein Streit darüber aus, wie mit dem Denkmal heutzutage zu verfahren sei, und die Zugänge dabei waren und sind vielfältig: Personen aus dem Umfeld der Universität für Angewandte Kunst wollten es als Mahnmal gegen Antisemitismus umbauen und in eine optische Schräglage bringen, die Grünen und die Jüdische Hochschülerschaft wollen es abreißen, und unter der Fachberatung des Historikers Oliver Rathkolb enthüllten 2016 der damalige Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) und der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt Markus Figl (ÖVP) eine Zusatztafel mit einer historischen Kontextualisierung des Denkmals und der Person Luegers.

Bis zum Jahr 2023 soll nun ein Wettbewerb über eine Umgestaltung des Denkmals entscheiden. Christoph Bazil erläutert die Position des Bundesdenkmalamts als unabhängiger Fachbehörde in hochemotional aufgeladenen Fragen wie dieser: „Natürlich gibt es auch die Forderung, Dinge wegzuräumen, weil sie nicht mehr zeitgemäß sind. Da haben wir auf Grund des Denkmalschutzgesetzes eine starke Stellung, weil wir einfach ‚Nein’ sagen können und das in vielen Fällen auch sagen müssen.“ Bazil scheut hier keine Konflikte, denn was ein Denkmal ist und sein soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Nicht nur „Gefälliges“

„Ein wichtiger Punkt ist, dass wir ja nicht nur das unter Schutz stellen, was irgendwie schön und gefällig ist. Es geht um geschichtliche, künstlerische und sonstige kulturelle Bedeutung“, erklärt Bazil gegenüber dem ORF. Da gehöre eben auch vieles dazu, was nicht gefällig, vielleicht sogar anstößig ist und auch Erinnerungen an Diktatur und Verfolgung wachhält.

Dass beispielsweise das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen so bestehe wie heute, hänge auch damit zusammen, dass das Bundesdenkmalamt schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg festgestellt hat, dass es unter Denkmalschutz steht und daher zu erhalten ist und nicht in Wohnraum ungestaltet wird. „Es geht uns ja nicht nur darum, eine Bestenliste eines Hurrapatriotismus zu schreiben, sondern sehr wohl auch schwierige und dunkle Objekte unter Schutz zu stellen, weil sie eben auch Teil unserer Geschichte sind“, so der Jurist.

Zeitgemäße Interpretation

Und wie sieht das nun im Fall des Lueger-Denkmals aus? Erhalten, umgestalten, abreißen? Hier kann und will Bazil dem kommenden Wettbewerb der Wiener Kulturstadträtin nicht vorgreifen, aber: „Auch bei politisch schwierigen Zeugnissen ist es uns wichtig, die Dinge zu erhalten, sie aber in einer zeitgemäßen Form zu interpretieren und zu kontextualisieren.“

Und der Denkmalschützer veranschaulicht das in einem bemerkenswerten Vergleich: „Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, ist es mit diesem Denkmal auch nicht viel anders als mit einem alten Bauernhof, den man wahrscheinlich auch nicht mehr in seiner Form des 18. Jahrhunderts bewirtschaftet, sondern möglicherweise neu interpretiert – als Ferienhaus, als Hotel, als kreativen Arbeitsraum. Und das ist, glaube ich, eine ganz wichtige, aber im täglichen Betrieb ganz übliche Aufgabe des Bundesdenkmalamts: die Denkmale, die auf uns kommen, zwar in ihrer wesentlichen Erscheinung zu erhalten, aber gleichzeitig auch einer zeitgemäßen Nutzung zugänglich zu machen.“

Vom kompromisslosen „Einfrieren“ eines Status quo sei hier also keine Rede. Umso spannender wird das Ergebnis des Wettbewerbs zur Umgestaltung des umstrittenen Lueger-Denkmals werden. Vor dessen Umsetzung ist dann wieder das BDA am Zug. Von ruhiger, musealer, beschaulicher Arbeit ist Bazils Amt jedenfalls weit entfernt: „Langweilig wird uns im Bundesdenkmalamt nie, weil wir ein enorm breites Spektrum an Denkmalen haben und einen in Österreich traditionell sehr weiten Denkmal-Begriff, der alles umfasst, was für das Verständnis unserer Geschichte und Gegenwart erforderlich ist.“