Auftragsstudien

Politik soll Integritätsstandard respektieren

Damit öffentlich finanzierte Auftragstudien fragwürdigen Inhalts erst gar nicht zustande kommen, haben das Institut für Höhere Studien (IHS) sowie das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) schon 2020 ein gemeinsames Memorandum verabschiedet. Die Initiative wurde nun erweitert. Die Politik solle sich an Integritätsstandards orientieren.

16 Prinzipien bei Auftragsstudien umfasst der Katalog, den nunmehr IHS und Wifo sowie die neuen Partner, das Austrian Institute of Technology (AIT), Joanneum Research und das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), formuliert und überarbeitet haben, hieß es am Freitag bei einem Pressegespräch. Man wolle sich damit eindeutig von Beratungsfirmen oder Kampagneninstituten, „die einzelnen Partikularinteressen verpflichtet sind“ und Unabhängigkeit nur vortäuschen, abgrenzen. Diese würden mitunter die Standards guter Politikberatung auf wissenschaftlicher Basis unterlaufen, sagte Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr.

Die Ereignisse der vergangenen Monate und Tage rund um zögerliche Studienveröffentlichungen zeichnen ein Bild, gegen das sich die außeruniversitären Institute verwehren. Nicht zuletzt wurde auch in Chats (aus dem ÖVP-Umfeld) ruchbar, dass es politisch opportun war, „das IHS und das Wifo unter Druck zu setzen“, so Felbermayr. Man lese von „teuren und höchst dubiosen Studien, die nicht gerade durch ihre wissenschaftliche Exzellenz glänzen“.

Neutraler Zugang essenziell

Ein neutraler Zugang sei aber „essenziell, um Politikberatung machen zu können“. Es gelte auch und gerade im Bereich der mit Steuergeld finanzierten Studien, die Grundsätze der Integrität einzuhalten. Die Erkenntnisse müssten auf wissenschaftlicher Evidenz basieren, transparent dargestellt und von einer Unabhängigkeit der ausführenden Forscher getragen sein. Dazu gehöre, dass alle Arbeiten veröffentlicht, Finanziers offengelegt, Ergebnisse und Annahmen nachvollziehbar kommuniziert werden.

Letztlich sollte sich auch die Politik „an Integritätsstandards orientieren und sie respektieren“, so der Wifo-Chef. Er hofft, dass der von den fünf Instituten definierte „Goldstandard“ auch andere Akteure dazu bewegt, sich mit dem eigenen Tun auseinanderzusetzen. Entspreche jemand den Standards nicht, werde man darauf in der Öffentlichkeit auch hinweisen, so die Träger des Memorandums. Dies müssten auch die Medien einfordern und etwa klar darauf verweisen, wenn Schlüsse aus Studien herangezogen werden, die nicht zugänglich sind.

„Zum Tango der wissenschaftlichen Integrität braucht es zwei“, erklärte Wolfgang Polt von Joanneum Research. Zuletzt seien „unakzeptable Dinge“ aufgetreten, die auch von mangelndem Respekt gegenüber der Wissenschaft zeugen. Daher richte man einen Appell an die Politik, in einen Dialog einzutreten. Es brauche auch Respekt gegenüber einer Expertise: „Ein ‚Runder Tisch‘ wäre ein guter Start“, und sollte durchaus auch öffentlich abgehalten werden, so Polt. Das wäre dann auch ein Anreiz für andere Institute, sich hier einzubringen.

Umkämpfter Markt

Und das sei höchst notwendig: Das alte Bonmot, dass es für politische Auftraggeber immer eine Möglichkeit gibt, ein bestimmtes Resultat in einer Studie zu erhalten, sei zwar „moralisch verwerflich, aber nicht unrichtig“. Das liege auch daran, dass der Markt umkämpft und der Druck in dem Bereich hoch sei.

Insgesamt habe die Initiative aber schon zu einer „deutlichen Erhöhung des Problembewusstseins“ geführt, sagte IHS-Strategiechef Thomas König. Viele Institute hätten ihren Teil der Arbeit getan, es gebe allerdings noch Verbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen. Seit der Verabschiedung des Memorandums habe man am IHS alle Studien veröffentlicht, ist wenigen Fällen brauchte die Freigabe durch die Auftraggeber, wie etwa Ministerien, etwas länger. Die ausformulierten Prinzipien würden jedenfalls in der Argumentation gegenüber Auftraggebern helfen.

Für den Leiter der Abteilung „Innovation Systems & Policy“ des AIT, Matthias Weber, setzt man sich hier einen klaren Rahmen, der „ganz, ganz wesentlich“ für die Glaubwürdigkeit ist. Es gehe um das Bereitstellen von fundiertem Wissen und nicht von Meinungen. Es müsse auch in öffentlichen Debatten ein Unterschied zu weniger fundierten Beiträgen gemacht werden, so Weber. Nicht zuletzt hätten Forscher auch eine „intrinsische Motivation“, Resultate zu veröffentlichen. „Wir wollen im öffentlichen Diskurs aufscheinen“, betonte wiiw-Direktor Robert Stehrer.