Millstätter See
APA/BARBARA GINDL
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Ökosystem Erde

Chemikalien sprengen Belastungsgrenze

Der CO2-Fußabdruck einer Chemikalie reicht nicht aus, um ganzheitlich zu erfassen, wie ökologisch nachhaltig sie ist. Denn: Dieser Wert gibt nur begrenzt wieder, wie sehr chemische Produkte das Ökosystem Erde belasten.

Um zu beurteilen wie „grün“ eine Chemikalie ist, beruft sich die übliche Praxis auf den CO2-Fußabdruck – also die Verrechnung der Treibhausgasemissionen, die vom Rohstoff über die Produktion bis hin zur Entsorgung verursacht werden. Chemikalien, die höhere Treibhausgasemissionen verursachen, weisen aber nicht unbedingt einen höheren Grad an Umweltschädlichkeit auf. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam der ETH Zürich in einer im Fachmagazin „Green Chemistry“ veröffentlichten Studie.

Ökobilanz für 492 Chemikalien

„Der Klimawandel ist nicht das einzige Problem“, so Javier Pérez-Ramírez, ETH-Professor für Katalyse-Engineering. „Wenn wir uns nur auf Lösungen konzentrieren, die den CO2-Ausstoß senken, verlagern wir die Probleme womöglich in einen anderen Bereich und verschlimmbessern die Umweltsituation sogar.“

Gemeinsam mit Kollegen hat Pérez-Ramírez deshalb die Umweltverträglichkeitsprüfung erweitert: Sie erstellten eine umfassende Ökobilanz für 492 Chemikalien durch die Brille von sieben planetarischen Grenzen, die niemals überschritten werden sollten. Dazu gehören neben Werten für den Klimawandel unter anderem der Abbau der Ozonschicht, die Versauerung der Ozeane oder die atmosphärische Aerosolbelastung.

Nur drei Chemikalien vollkommen „grün“

Laut der Studie sprengt die überwältigende Mehrheit der Produkte, nämlich 99,4 Prozent, mindestens eine der planetaren Grenzen. In einigen Fällen sogar um mehr als das 200-fache. Nur drei Chemikalien dürften als vollkommen „grün“ bezeichnet werden.

Aus den Resultaten schließen die Forscher, das der Kohlenstoff-Fußabdruck nicht die einzige Kennzahl sein sollte, um den Grad an Umweltschädlichkeit eines Produkts zu bewerten. Dies, obwohl fossile Chemikalien die planetaren Belastungsgrenzen Klimawandel, Ozeanversauerung und Unversehrtheit der Biosphäre am deutlichsten überschreiten.

„Wirtschaftliche und soziale Dimension mitdenken“

Noch werde das Kohlenstoff-Grundgerüst, aus dem die meisten Chemikalien bestehen, zu über 85 Prozent aus fossilen Rohstoffen gewonnen. Die Studie quantifizierte nun erstmals auf globaler Ebene, wie wichtig es sei, dass die chemische Industrie von den fossilen Rohstoffen wegkomme.

Das Forschungsteam betont zudem, dass die Bewertungen zur Nachhaltigkeit idealerweise auch die wirtschaftliche und soziale Dimension abdecken sollten. Dazu müssten die planetaren Grenzen um zusätzliche Variablen ergänzt werden und bestenfalls im Einklang mit den UNO-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) stehen.