HI-Virus (künstlerische Darstellung)
nobeastsofierce – stock.adobe.com
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Niederlande

Aggressivere HIV-Variante entdeckt

Im Rahmen einer Langzeitstudie ist ein Forschungsteam in den Niederlanden auf eine bisher unbekannte Variante des HI-Virus gestoßen, die unter anderem leichter übertragbar ist. Ein Grund zur Sorge soll diese aber nicht sein.

Dass Viren mutieren und in verschiedenen Varianten auftreten können, ist zumindest seit der CoV-Pandemie allgemein bekannt. Der mit der Krankheit Aids in Verbindung stehende HI-Virus bildet davon keine Ausnahme. „Auch von HIV gibt es zahlreiche unterschiedliche Varianten“, wie der Epidemiologe Chris Wymant von der Universität Oxford gegenüber dem ORF erklärt.

Eine solche bisher unbekannte Variante hat Wymant als Teil eines internationalen Teams entdeckt. Knapp 110 Personen in den Niederlanden sind damit offiziell infiziert. Die daraus entstandene Studie präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science“.

Ansteckendere Variante

Eigentlich untersuchte das Team im Rahmen eines internationalen Monitoring-Projekts namens „Beehive“, was dazu führt, dass Betroffene unterschiedlich auf HI-Viren reagieren. Weltweit sind rund 38 Millionen Menschen mit HIV-1 infiziert. „Bei manchen entwickelt sich nach ein paar Monaten AIDS, andere leben Jahrzehnte ohne die Krankheit“, so Wymant. Das Forschungsteam nutzte Daten aus klinischen Untersuchungen, um mehr über die Gründe dafür herauszufinden.

„Uns sind dabei einige Betroffene aufgefallen, die eine höhere Viruslast im Blut hatten“, so Wymant. Da sich die Personen in ihrem Lebensstil, Alter oder anderen Eigenschaften nicht von anderen Patienten unterschieden, musste die Virus-Variante dafür verantwortlich sein. „Alle Betroffenen hatten Viren mit vergleichbaren Mutationen, waren also mit der gleichen Variante infiziert“, erklärt der Epidemiologe. Infizierte mit der VB-Variante, wie sie von den Forschern genannt wird, weisen etwa eine 3,5 bis 5,5 mal höhere Viruslast auf. Außerdem sei die Variante leichter übertragbar und habe auch das Potenzial, größere Schäden am Immunsystem anzurichten.

17 Betroffene waren laut den internationalen Daten der Forscher mit der VB-Variante von HIV infiziert. 15 davon konnte das Team in die Niederlande zurückverfolgen. „Wir haben danach zusätzliche Daten von rund 6,700 Infizierten in den Niederlanden analysiert und 92 weitere Betroffene mit der VB-Variante gefunden“, so Wymant.

Gut behandelbar

Die neu entdeckte Variante sei laut Wymant zwar ansteckender und potenziell gefährlicher, reagiere aber gleich gut auf moderne Behandlungsmöglichkeiten wie andere HIV-Varianten. „Unsere Daten zeigen, dass auch Infektionen mit der VB-Variante gut behandelbar sind“, erklärt der Epidemiologe. Weil die VB-Variante das Immunsystem der Patientinnen und Patienten aber stärker angreift, sei eine schnelle Diagnose und ein früher Beginn der Behandlungen wichtig. Danach hätten VB-Patienten ähnliche Verläufe wie andere von HIV Betroffene.

Davon zeuge auch, dass bis heute nicht mehr Personen mit der Variante infiziert sind. „Anhand mehrerer Analysen gehen wir davon aus, dass sich die VB-Variante bereits in den 1980er und 90er Jahren verbreitet hat“, so Wymant. Seit etwa 2010 soll sich die Ausbreitung der Studie zufolge aber wieder verlangsamt haben. Dem Epidemiologen zufolge seien vor allem die guten Behandlungsmöglichkeiten und die schnelle Versorgung von Patientinnen und Patienten in den Niederlanden dafür verantwortlich, dass sich die VB-Variante nicht weiter verbreitet hat.

Wichtige Erkenntnisse

Am Beispiel der Niederlande lasse sich erkennen, wie wichtig eine gute Versorgung von HIV-Patientinnen und -Patienten ist. „Jeder Menschen mit dem Risiko sich mit HIV zu infizieren, muss die Möglichkeit zu regelmäßigen Tests haben. Nur so kann die Infektion frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden“, sagt der Epidemiologe.

Durch die Erkenntnisse über die neue Virus-Variante erhofft er sich außerdem, generell mehr über HIV in Erfahrung zu bringen. „Wenn wir verstehen, wie die Variante das Immunsystem angreift und wie sie sich dabei von anderen Varianten unterscheidet, könnte uns das einiges über HIV an sich verraten“, erklärt der Epidemiologe. In weiterer Folge könnte das zu neuen Behandlungsmöglichkeiten und der Entwicklung neuer Medikamente führen.