Die Spitzenkandidatin der Grünen Ulrike Lunacek am Donnerstag, 22. Mai 2014, bei ihrer Ankunft beim ORF-Zentrum in Wien vor Beginn einer ORF-Diskussion der Spitzenkandidaten zur Europawahl.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Studie

Grüne Parteien profitieren von Klimaerwärmung

Die Klimaerwärmung bringt den Grünen mehr Stimmen bei Wahlen. So lässt laut einer neuen Studie ein zusätzlicher ungewöhnlich warmer Tag in jedem Monat eines Jahres den Stimmenanteil grüner Parteien bei den Europawahlen um 0,8 Prozentpunkte steigen.

Das berichtet ein Team um den Demographen Roman Hoffmann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einer Studie, die soeben im Fachjournal „Nature Climate Change“ erschienen ist.

Wetterdaten und Wahlverhalten verknüpft

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist das Bewusstsein für Fragen des Klimawandels in Europa gestiegen und der Stimmenanteil der grünen Parteien im Europäischen Parlament hat zugenommen: Während in der Eurobarometer-Umfrage 2002 weniger als fünf Prozent der Europäer der Meinung waren, dass Umweltfragen für ihr Land Priorität haben sollten, hat sich dieser Anteil 2019 mehr als verdreifacht. Und zwischen 2004 und 2019 stieg der Anteil der Sitze grüner Parteien im Europaparlament von 5,7 auf 9,9 Prozent. Bisher mangelte es aber an Belegen dafür, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Ergebnissen und persönlichen Erfahrungen mit Auswirkungen des Klimawandels besteht.

Für ihre Studie haben die Forscher um Roman Hoffmannvom Institut für Demographie der ÖAW, der Uni Wien und dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien Wetterdaten zu Temperatur und Dürre mit kleinräumigen Daten zu Umwelteinstellungen und Wahlverhalten verknüpft. Dafür wurden 42 Eurobarometer-Umfragen zwischen 2002 und 2019 für 34 europäische Länder sowie die sechs Europawahlen von 1994 bis 2019 für 28 Länder ausgewertet.

Erfolg der Grünen steigt mit Temperaturen

Die Ergebnisse zeigten eine „signifikante und erhebliche Auswirkung von Temperaturanomalien, Hitze- und Trockenperioden auf das Umweltbewusstsein und die Stimmabgabe für grüne Parteien“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Das durch die unmittelbare Erfahrung von Wetterextremen gestärkte Umweltbewusstsein „trägt dazu bei, dass mehr Menschen grüne Parteien wählen“, erklärte Hoffmann in einer Aussendung.

Und das in beträchtlichem Ausmaß: „Wenn jeder Monat eines Jahres einen zusätzlichen ungewöhnlich warmen Tag hat, dann schätzen wir auf Basis der historischen Daten über das gesamte Mittel von Europa, dass bei Wahlen zum Europaparlament die Zustimmung zu grünen Parteien um 0,8 Prozentpunkte steigt“, erklärte Hoffmann. Angesichts der erheblichen Temperaturanomalien, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, könne dies kommende Wahlergebnisse zunehmend beeinflussen. Im selben Ausmaß steigt das Umweltbewusstsein.

Zusammenhang in Südeuropa geringer

Dabei variiert die Sorge um die Klimaerwärmung und andere Umweltprobleme stark zwischen den europäischen Regionen: Vor allem in West- und Nordeuropa ist das Umweltbewusstsein in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, während in Süd- und Osteuropa dieser Anstieg deutlich weniger ausgeprägt war.

Regional unterschiedlich wirken sich Wetterextreme auch auf das Wahlverhalten aus: In südeuropäischen und damit wärmeren Regionen beeinflussen ungewöhnlich hohe Temperaturen den Urnengang weniger stark als in Gebieten mit einem moderaten Klima. Dies dürfe auf die bessere Anpassung der Menschen in diesen Regionen an ein warmes, trockenes Klima, etwa im Bereich der Landwirtschaft, zurückzuführen sein.

Zudem nimmt die Unterstützung für Klimamaßnahmen infolge persönlicher Erfahrung nur in Regionen mit einem höheren Einkommensniveau zu. Dies gilt auch für Regionen mit mehr Landwirtschaft, einer besser gebildeten Bevölkerung und einem höheren Anteil junger Menschen.