Zwei Frauen sprechen miteinander, gestikulieren
Farknot Architect – stock.adobe.com
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Polarisierung

Meinungsstarke Menschen sind anziehend

Echokammern in den Sozialen Netzwerken ziehen politisch Gleichgesinnte an. Eine Studie zeigte nun aber: Jemand, der die gleiche Einstellung hat wie man selbst, wirkt lange nicht so anziehend wie jemand, der seine – abweichende – Meinung selbstbewusst und schlüssig vertritt.

Abneigung und Misstrauen zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen nahmen in den letzten Jahrzehnten stetig zu. Ein Forschungsteam um Federico Zimmerman vom Labor für Neurowissenschaften der Universität Torcuato Di Tella in Buenos Aires, nahm dies zum Anlass die Antreiber dieses Phänomens zu untersuchen.

In einem Verhaltensexperiment führten Menschen, die einander zuvor nicht kannten, kurze Gespräche über Politik. Die Forscher sammelten auf diesem Weg Daten von über 5.000 Face-to-Face-Interaktionen. Aus den Ergebnissen der Studie, die nun im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht wurden, schlussfolgern die Forscher: Nicht so sehr dieselbe politische Einstellung mache einen Menschen attraktiv, sondern vielmehr eine selbstbewusst vertretene und schlüssig argumentierte Meinung.

Zweiergespräche über Politik

Zuerst wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, fünf Aussagen zur Politik zu lesen und anzugeben, ob sie diesen zustimmen oder nicht. Danach sollten sie sich paarweise fünf Minuten lang über diese Aussagen unterhalten – oder diskutieren. Am Ende wurden die Teilnehmenden aufgefordert einander zu bewerten, etwa wie nett, aufgeschlossen, intelligent und attraktiv sie ihr Gegenüber fanden. Die Forscher stellten fest, dass Personen bessere Bewertungen erhielten, wenn ihre Aussagen während der Diskussion konsistent und stimmig mit ihrer insgesamt vertretenen politischen Einstellung waren.

Mit anderen Worten: Ein gemäßigter Liberaler, der auch einige konservative Meinungen vertritt, bewertete einen Gesprächspartner, der einen strikten liberalen Kurs verfolgt, besser als jemanden mit demselben Meinungsmix wie er selbst. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die während der Diskussion öfters keine Antwort geben konnten, verteilten zudem höhere Bewertungen als sie selbst von ihrem Gesprächspartner erhielten – ein Hinweis darauf, dass Sicherheit als attraktive Eigenschaft betrachtet werde, so die Forscher.

„Dynamiken sind komplexer“

„Die fortschreitende Polarisierung sei eine Gefahr für demokratische Gesellschaften“, heißt es in der Studie. Die Standarderklärung für den beobachteten Hass zwischen Personen unterschiedlicher Meinung sei, dass Menschen politisch Gleichgesinnte bevorzugen – ein Phänomen, das der „sozialen Homophilie“ zugeordnet werden kann: Umso größer der Anteil an geteilten Meinungen, desto sympathischer finden sich zwei Menschen, die miteinander interagieren.

Die Ergebnisse der Studie deuten aber darauf hin, so die Autoren, dass Sympathie in politischen Debatten möglicherweise nicht nur von diesem Effekt der Ähnlichkeit bestimmt wird, sondern auch von zwei weiteren Variablen: Stimmigkeit und Sicherheit. Die Dynamiken, die die Echokammern in den Sozialen Medien anheizen, seien komplexer als oft dargestellt, so die Forscher, und plädieren dafür, die Spaltung von Gesellschaften differenzierter zu betrachten. In einer Atmosphäre zunehmender Feindseligkeit innerhalb der Gesellschaft, sei es dringend notwendig, den Schlüsselfaktoren für zwischenmenschliche Sympathie – oder Antipathie – in politischen Diskussionen auf den Grund zu gehen.