JET-Innenraum mit darübergelegter Plasmaaufnahme
UKAEA
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59 Megajoule

Energierekord bei Kernfusion

Riesige Mengen klimafreundliche Energie gewinnen so wie die Sonne: Das ist die Hoffnung von Kernfusionsforscherinnen und -forschern. An der Fusionsanlage JET in Großbritannien haben sie nun einen Energierekord erzeugt. Während einer fünf Sekunden langen Plasmaentladung wurde eine Energie von 59 Megajoule freigesetzt.

Damit sei ein bereits 1997 am JET aufgestellter Rekord von 21,7 Megajoule um mehr als das Doppelte überboten worden, heißt es in einer Stellungnahme der JET-Kernfusionsanlage im britischen Culham bei Oxford.

In der Einheit Leistung (Energie pro Zeit) ausgedrückt, erreichte JET eine Leistung von etwas mehr als elf Megawatt im Durchschnitt über fünf Sekunden. Der bisherige Energierekord aus dem Jahr 1997 lag bei knapp 22 Megajoule Gesamtenergie und 4,4 Megawatt Leistung im Durchschnitt über fünf Sekunden.

Während die erzeugte Energie absolut betrachtet nicht schwindelerregend ist – zum Vergleich: mit einem Megajoule kann man etwa drei Liter 20 Grad warmes Wasser zum Kochen bringen -, sind die JET-Ergebnisse wichtige Vorarbeiten für künftige Fusionskraftwerke.

Vorbild Sonne

Fusionskraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium verschmelzen und dabei große Energiemengen freisetzen. Die einzige Anlage weltweit, die derzeit mit einem solchen Brennstoff arbeiten kann, ist das europäische Gemeinschaftsprojekt JET. Die letzten Experimente mit dem Brennstoff künftiger Fusionskraftwerke liefen dort allerdings bereits 1997.

Weil Tritium ein sehr selten vorkommender Rohstoff ist, der zudem besondere Anforderungen bei der Handhabung stellt, nutzen Forschungsteams ansonsten meist Wasserstoff oder Deuterium für Plasmaversuche. In späteren Kraftwerken soll Tritium während der Energieerzeugung quasi nebenbei aus Lithium gebildet werden.

Vorbereitung auf ITER

Die JET-Kernfusionsanlage arbeitet bereits seit 1983 und dient derzeit als wichtige Erkundungsanlage für das ambitionierte internationale Nachfolgeprojekt ITER. Dabei handelt es sich um ein großes Fusionsforschungsprojekt in Südfrankreich, mit dem die EU und weitere Industriemächte von den USA über China bis Japan und Südkorea gemeinsam das Potenzial der Technologie der Kernfusion demonstrieren und an der Praxistauglich arbeiten wollen.

„Die Physik in Fusionsplasmen können wir sehr gut erforschen, indem wir mit Wasserstoff oder Deuterium arbeiten, deshalb ist das der Standard weltweit“, erklärt Athina Kappatou vom deutschen Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP).

„Für den Übergang zum internationalen Fusionsgroßexperiment ITER ist es allerdings wichtig, dass wir uns auf die dort herrschenden Bedingungen vorbereiten.“ ITER wird derzeit im südfranzösischen Cadarache gebaut und soll unter Einsatz von Deuterium-Tritium-Brennstoff zehnmal soviel Energie freisetzen können, wie an Heizenergie ins Plasma eingespeist wird.

Wolfram statt Kohlenstoff

Um das JET-Experiment möglichst nahe an künftige ITER-Bedingungen zu bringen, wurde von 2009 bis 2011 bereits die frühere Kohlenstoff-Auskleidung des Plasmagefäßes durch eine Mischung aus Beryllium und Wolfram ersetzt, wie sie auch bei ITER geplant ist. Das Metall Wolfram ist widerstandsfähiger als Kohlenstoff, der überdies zu viel Wasserstoff einlagert.

Allerdings stellt die nun metallische Wand neue Anforderungen an die Qualität der Plasmasteuerung. Die jetzigen Experimente zeigen die Erfolge der Forscher und Forscherinnen: Bei Temperaturen, die zehnmal höher sind als diejenigen im Zentrum der Sonne wurden die Rekordwerte an erzeugter Fusionsenergie erreicht.

Im Inneren der JET-Anlage („Joint European Torus“)
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Im Inneren der JET-Anlage („Joint European Torus“)

Weltrekord unter ITER-ähnlichen Bedingungen

Vor dem Einbau der metallischen Wand hatte JET 1997 den bis dato geltenden Energieweltrekord erreicht: Das Fusionsplasma erzeugte damals eine Energiemenge von knapp 22 Megajoule. „In den jüngsten Experimenten wollten wir beweisen, dass wir sogar unter ITER-ähnlichen Bedingungen deutlich mehr Energie erzeugen können“, erklärt die IPP-Physikerin Kappatou.

Mehrere hundert Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen waren an der jahrelangen Vorbereitung der Versuche beteiligt. Mit theoretischen Methoden berechneten sie vorab, mit welchen Parametern sie das Plasma erzeugen mussten, um ihre Ziele zu erreichen. Die Experimente bestätigten Ende 2021 die Voraussagen und lieferten einen neuen Weltrekord: JET erzeugte mit Deuterium-Tritium-Brennstoff stabile Plasmen, die eine Energie von 59 Megajoule freisetzten.

Um Netto-Energie zu gewinnen – also mehr Energie freizusetzen, als die Heizungen liefern –, ist die experimentelle Anlage zu klein. Dies wird erst mit dem größer dimensionierten Experiment ITER in Südfrankreich möglich sein.