Naturhistorisches Museum Wien
APA/Herbert Neubauer
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Hawaii

Naturhistorisches Museum gibt Raubgut zurück

Am Montag kommt eine Delegation aus Hawaii nach Wien, um die menschlichen Überreste von zwei Vorfahren abzuholen. Es handelt sich dabei um zwei Schädel, die einst von einem britischen Grabräuber entwendet wurden.

Schon vor zwei Jahren fragte die hawaiianische NGO das Naturhistorische Museum nach den Schädeln von zwei Hawaiianern, einem Mann und einer Frau. Es dauerte, bis man die Schädel überhaupt ausfindig machen und eindeutig zuordnen konnte. Am Montag werden sie an die Delegation des Office of Hawaiian Affairs übergeben, die sie für den Bundesstaat Hawaii in Empfang nimmt und rückführt.

Britischer Grabräuber entwendete Schädel

Recherchen zur Herkunft der Schädel in Wien ergaben, dass sie der englische Abenteurer und Geschäftsmann William Green im 19. Jahrhundert aus einem Höhlengrab geraubt hatte, erklärt Kathrin Vohland, die Direktorin des Naturhistorischen Museums in Wien: „Er hat sie dann verkauft. Diese beiden Schädel waren zunächst in einer Sammlung in Großbritannien und wurden dem Naturhistorischen Museum Wien später geschenkt.“

Historisches Unrecht anerkennen

Mit der Rückgabe der Schädel will das Naturhistorische Museum das ethische und moralische Unrecht anerkennen, das durch die rücksichtlose Sammelpraxis während der Kolonialzeit entstanden ist. Am NHM zähle man rund 40.000 sogenannte „human remains“, aus Ländern mit kolonialem Hintergrund seien es rund 3.000, berichteten Expertinnen von der Anthropologischen Abteilung des Hauses bei einem Pressegespräch im vergangenen Jahr. Wie viele der im Museum befindlichen Sammlungsobjekte, darunter eben auch die menschlichen Überreste, eine problematische Erwerbsgeschichte im Hinblick auf die Kolonialzeit haben, wisse man nicht, so Kathrin Vohland.

Forschungsprojekte sollen Aufklärung bringen

Ein Forschungsprojekt, das den Erwerbungshintergrund und die Herkunft der menschlichen Überreste untersucht, ist derzeit im Gang. „Österreich investiert ja jetzt schon seit mehreren Jahren in Forschungsprojekte, um diesen kolonialen Kontext zu fassen. Da geht um Fragen wie: Warum haben wir als Museum profitiert von bestimmten Macht-, Handels- und Ausbeutungsstrukturen zu Kolonialzeiten?“, fasst Kathrin Vohland den Fokus des Projekts zusammen. Ähnliche Projekte laufen auch im Weltmuseum, dem Technischen Museum und am Museum für Angewandte Kunst.

Eigentum der Republik Österreich

Das Museum allein hätte die Objekte nicht zurückgeben können, sie gehören der Republik Österreich, diese hat ihre Einwilligung gegeben.

Vor Kurzem wurde in Österreich eine Expertenkommission gegründet, die einen Handlungsrahmen zum Umgang mit dem kolonialen Erbe in Österreichs Museen ausarbeiten soll. Auch Kathrin Vohland ist Mitglied. Leiter der Kommission ist Jonathan Fine, Direktor des Weltmuseums in Wien.

Österreich hinkt hinterher

Hierzulande sei das Bewusstsein bezüglich solcher Rückgaben noch nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern, meint unter anderem die Wissenschaftlerin Khadija von Zinnenburg Carroll. Sie forscht zu diesem Thema auf internationaler Ebene: „Die Expertenkommission ist ein guter, wenn auch verzögerter Anfang. Es bleibt abzuwarten, wann die ersten Rückgaben von Kulturgütern erfolgen.“

In Österreich neige man immer noch dazu, die eigene koloniale Vergangenheit herunterszuspielen und hege insgesamt „eher eine Haltung des Abwartens und sehen, was etwa in Deutschland passiert, zum Beispiel mit den Rückgaben der Bronzen nach Nigeria", meint von Zinnenburg Carroll.

Deutschland hat sich im Herbst letzten Jahres mit Benin darauf geeinigt, bis zu 1.000 Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin zurückzugeben – noch in diesem Jahr. Auch im Weltmuseum Wien gibt es einen größeren Bestand an Benin-Bronzen.

Disput um die aztekische Federkrone

In Österreich beträfe das Thema der Rückgaben etwa auch die berühmte aztekische Federkrone aus Mexiko, die Bestandteil des Weltmuseums Wien und seit rund 500 Jahren in Österreich ist und trotz andauernder Proteste nicht zurückgegeben, noch nicht einmal verliehen wird.

Die Behauptung, die Federkrone würde einem Transport nach Mexiko nicht standhalten und müsse deshalb in Wien verwahrt bleiben, sei haltlos, so Khadija von Zinnenburg Carroll, deren Buch „The Contested Crown“ über die Geschichte und Gegenwart dieser Federkrone demnächst auch auf Deutsch unter dem Titel „Mit fremden Federn“ erscheint.

Dem, zumindest auf mexikanischer Seite eher frustrierenden, Zusammentreffen von Restaurierungswissenschaftlern aus Österreich und Mexiko im Rahmen eines binationalen Konservierungsprojekts vor über zehn Jahren widmet sie darin ein ganzes Kapitel. Im Interview erklärt sie:

„Meiner Meinung nach wurde die Konservierungswissenschaft gezielt dazu benutzt, hier in Wien falsche Erkenntnisse zu verbreiten.“ In Mexiko seien nämlich ganz andere Erkenntnisse gewonnen worden als in Wien, doch seien diese nicht gehört worden. Die Wissenschaftler an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) hätten zum Beispiel mit rund 100 Jahre alten Federn aus dem Zoologischen Institut der Universität gearbeitet, um die Vibrationslast auf die Federn der Federkrone während eines Flugzeugtransports zu simulieren.

Die Federkrone am NHM
AFP – Alexander Klein
Die Federkrone am Weltmuseum

Ihr Endergebnis sei gewesen, dass allein die täglichen Besucherinnen und Reinigungskräfte im Weltmuseum stärkere Vibrationen erzeugten als ein Transportflug. Abgesehen davon könne man auch ein High-Tech-Gehäuse anfertigen, das die Vibrationen generell abfedere, so von Zinnenburg Carroll. „Die mexikanischen Wissenschaftler konsultierten dazu auch Experten aus Großbritannien, den USA und Belgien, und alle bestätigten, dass diese Vibrationen kein Thema seien.“

Österreich verweigert weiterhin Transport

In Wien kam zu einem anderen Ergebnis- eine Rückführung oder ein Ausleihen des Kopfschmucks sei wegen den damit verbundenen Vibrationen auszuschließen. Auch als Mexiko im vergangenen Jahr zum 500. Jahrestag nach der Eroberung die Federkrone ausleihen wollte, verweigerte Österreich dieses Anliegen mit Verweis auf die Gefahr der Beschädigung durch den Transport.

Mexikaner bekommen freien Eintritt ins Weltmuseum

Diejenigen Mexikaner und Mexikanerinnen, die sich einen Flug nach Wien leisten können, bekommen dafür einen gratis Eintritt ins Weltmuseum, wo sie die Federkrone bewundern können. Ob das eine gute Entschädigung ist, sei dahingestellt.