Ein Kind steht in Malawi auf einem Feld und gießt mit einer Gießkanne
AFP – AMOS GUMULIRA
AFP – AMOS GUMULIRA
Wirtschaft

Vereinbar: Klimakrise und Armut bekämpfen

Eine Milliarde Menschen aus tiefer Armut holen: Das ist eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – und steht nicht im Widerspruch zur Klimapolitik, wie eine neue Studie zeigt. Denn die Armutsbekämpfung erhöht die CO2-Emissionen nur in geringem Ausmaß, reiche Länder und Menschen sorgen für einen viel größeren ökologischen Fußabdruck.

Das berichtet ein Team um die aus Österreich stammenden Ökonomen Klaus Hubacek und Benedikt Bruckner von der Universität Groningen (Niederlande) soeben im Fachmagazin „Nature Sustainability“. Die Fachleute griffen für ihre Studie auf eine umfangreiche Datensammlung der Weltbank zurück, die Informationen über 200 wirtschaftliche Kategorien in 116 Staaten enthält und rund 90 Prozent der Weltbevölkerung umfasst, wie es in einer Aussendung der niederländischen Uni heißt.

Riesiger Unterschied zwischen Reich und Arm

Dass das Erreichen von Nachhaltigkeitsziele (SDG) den Zielen des Pariser Klimaabkommen zur Eindämmung der Erderwärmung um höchstens zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zuwiderlaufen könnte, wurde immer wieder in den Raum gestellt. Eine belastbare Schätzung des Effekts gebe es bisher aber nicht, so die Forscher. Die Weltbankdaten erlaubten es Bruckner nun aber, den CO2-Fußabdruck für verschiedene Bevölkerungsgruppen in den jeweiligen Ländern sehr detailliert zu berechnen.

Letztlich offenbart die Analyse, wie ungleich die Emissionen über Länder und soziale Schichten hinweg verteilt sind. Damit das Pariser Ziel erreicht werden kann, schätzt man, dass pro Kopf und Jahr 1,61 bis 2,8 Tonnen CO2 ausgestoßen werden könnten. Für die USA errechneten die Wissenschaftler den Fußabdruck aber auf im Schnitt 14,5 Tonnen, für Europa kommt man auf 6,3 Tonnen, für Russland und Zentralasien auf 5,9 und für China auf 4,5 Tonnen.

Im Vergleich nehmen sich die Werte für Indien, Süd- und Südostasien mit 1,3 und 1,2 Tonnen bescheiden aus. Im südlichen Afrika kommt man demnach durchschnittlich auf gar nur 0,6 Tonnen. Österreich liegt laut den Daten in Europa im unrühmlichen Spitzenfeld mit Werten von über 7,5 Tonnen CO2 pro Kopf.

Nur höchstens zwei Prozent mehr Emissionen

Entscheidend für die Berechnung des Effekts der Armutsbekämpfung ist, wie sich der Sprung aus der bitteren Armut heraus vor allem in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern ausnimmt, erklärte Bruckner. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die globalen Emissionen nur um 1,6 bis 2,1 Prozent erhöhen würden, wenn eine Milliarde Menschen über die Armutsschwelle (Einkommen von weniger als 1,7 Euro pro Tag) gehoben würden. „Der Grund dafür sind die sehr ungleich verteilten Kohlenstoffemissionen“, so Bruckner.

CO2-Ausstoß pro Kopf und Jahr nach Einkommensgruppen
Grafik: APA, Quelle: Nature Sustainability

So kommen die Forscher für das reichste Prozent der Weltbevölkerung auf einen durchschnittlichen Fußabdruck von 48 Tonnen. Bei den folgenden neun Prozent sinkt der Wert auf 11,6 Tonnen. Die mittleren 40 Prozent der Weltbevölkerung in punkto Einkommen haben demnach einen Fußabdruck von 3,5 Tonnen und die ärmsten 50 Prozent von lediglich 0,6 Tonnen. Das führe dazu, dass das oberste Prozent für insgesamt 50 Prozent mehr Emissionen verantwortlich zeichnet als die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung zusammen, heißt es in der Aussendung.

Verantwortung liegt bei reichen Ländern

Je höher die Einkommen der Menschen werden, desto höher ist der Konsumgüterverbrauch im Schnitt. Wie groß hier die Schieflage ist, illustriere auch, dass „die Superreichen dieser Welt Fußabdrücke von über 1.000 Tonnen haben“, sagte Hubacek, der in einer Verringerung des Konsums die einzige Option sieht, wie CO2-Emissionen tatsächlich reduziert werden können.

Die Idee, wirtschaftliches Wachstum von steigendem Treibhausgas-Ausstoß abzukoppeln, funktioniere nämlich nur in den seltensten Fällen, so der Ökonom. Für Bruckner zeigt die Studie, „dass die Verantwortung zur Reduktion der CO2-Emissionen bei den reichen Ländern liegt. Wir müssen ärmeren Ländern die Möglichkeit geben, ihre Bevölkerung aus der Armut zu holen.“