Donau-Au bei Groß-Enzersdorf
Kurt Kracher
Kurt Kracher
Paläontologie

Ur-Donau-Delta im Norden von Wien entdeckt

Vor rund 11,5 Millionen Jahren ist erstmals durch das österreichische Alpenvorland die Ur-Donau geflossen. Forscher konnten ihr Delta nun mit Hilfe modernster Technik der OMV in mehr als 600 Meter Tiefe präzise lokalisieren.

Der Paläontologe Mathias Harzhauser vom Naturhistorischen Museums Wien entdeckte es gemeinsam mit Fachleuten der OMV und der Universität Graz im Norden Wiens. 3-D-Seismik der OMV ermöglicht eine virtuelle Reise in das späte Miozän, als sich von Mistelbach über Zistersdorf bis Aderklaa (Niederösterreich) und die Wiener Stadtgrenze im Süden das Delta der Ur-Donau erstreckte, heißt es in einer NHM-Aussendung.

Zahlreiche Funde von Fossilien

Den Verlauf der Ur-Donau kennt man schon länger, Zeuge davon ist ein über 80 Kilometer langer, bis zu 14 Kilometer breiter Geländerücken im zentralen Weinviertel (NÖ). Durch sogenannte Reliefumkehr finden sich Schotter und Sande, die sich ursprünglich im Flussbett der Paläo-Donau abgelagert hatten, heute auf diesem Höhenrücken, etwa am Spielberg bei Großriedenthal. In Schottergruben in der Region werden immer wieder fossile Knochen von gewaltigen Elefanten und hornlosen Nashörnern oder Zähne von Dreizehen-Pferden gefunden.

Ausdehnung des Deltas der Ur-Donau vor 11,5 Millionen Jahren
NHM Wien, Mathias Harzhauser
Ausdehnung des Deltas der Ur-Donau vor 11,5 Millionen Jahren

Zu dieser Zeit mündete die Ur-Donau in den riesigen Pannon-See, der große Teile Ostösterreichs, Ungarns, Kroatiens und Rumäniens bedeckte. Die ehemaligen Deltakörper kartierten die Forscher im Fachmagazin „Global and Planetary Change“ und zeichneten die Evolution des Deltas nach.

Den Forschern zufolge verlagerte die Ur-Donau etwa alle 40.000 Jahre ihre Mündungsarme und baute nach und nach bei Großengersdorf, Aderklaa, Markgrafneusiedl, Matzen und Zistersdorf ihre Deltakörper vor. Durch das allmähliche Absinken des Untergrunds des Wiener Beckens wurden die Schotter und Sande der Ur-Donau immer weiter abgesenkt und unter jüngeren Sedimenten begraben. So wurden in hunderten Metern Tiefe die Mäander einzelner Flussläufe konserviert und auf den Deltaflächen blieben ausgedehnte Dünenfelder erhalten.

Die Seismik zeigt Sanddünen und ehemalige Flussläufe in mehr als 600 Metern Tiefe begraben
NHM Wien, Mathias Harzhauser
Die Seismik zeigt Sanddünen und ehemalige Flussläufe in mehr als 600 Metern Tiefe begraben

Kleiner als heutiges Donaudelta

Mit einer Fläche von 850 Quadratkilometer war das Urdonau-Delta rund sechs Mal kleiner als das der heutigen Donau, was gut zu dem deutlich kürzeren Verlauf passt. Weit in das Wiener Becken vorbauen konnte sich das Delta aufgrund des trocken-heißen Klimas. Der Pannon-See hatte einen extrem niedrigen Wasserspiegel. Während die vielen Flussarme und Deltaseen von dichtem Auwald mit Wassernüssen, Sumpfzypressen und Amberbäumen gesäumt waren, prägten offene Landschaften das Hinterland.

Auch das Ende dieses Ur-Donaudeltas konnten die Forscher entschlüsseln. Nach nur 200.000 Jahren – in geologischen Zeiträumen ein Wimpernschlag – stieg der Wasserspiegel des Pannon-Sees um mehrere Zehnermeter an und drängte das Delta weit in das Alpenvorland zurück. Das Delta und seine Aulandschaften wurden rasch geflutet. Schuld an der Katastrophe war ein Klimawandel, der zu verstärkten Regenfällen führte.