Nachbildung eines Neandertalers
APA/dpa/Federico Gambarini
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Neandertaler-Gen

Risiko für Covid-19, Schutz vor HIV

Etwa zwei Prozent der Erbanlagen heutiger Menschen stammen vom Neandertaler. Eines dieser Gene erhöht das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe – schützt aber gleichzeitig vor HIV, wie ein schwedischer Forscher berichtet.

Die Genvariante, die bei heute lebenden Menschen erstaunlich häufig vorkomme, verringere das Risiko einer HIV-Infektion um 27 Prozent, heißt es in einer im Fachmagazin „PNAS“ am Montag erschienenen Studie.

Genvariante in der Vergangenheit vorteilhaft

Neben Risikofaktoren wie einem fortgeschrittenen Alter und chronischen Krankheiten kann auch das genetische Erbe das individuelle Risiko für eine schwere Coronaviru-Erkrankung erhöhen oder verringern. Im Jahr 2020 zeigten Hugo Zeberg vom Karolinska Institutet in Stockholm vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sowie Svante Pääbo, ebenfalls vom Leipziger Max-Planck-Institut, dass ein wichtiger genetischer Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf Teil des menschlichen Neandertalererbes ist.

Im vergangenen Jahr untersuchte das Forscherduo dieselbe Genvariante im Erbgut prähistorischer Menschen und stellte fest, dass sie seit Ende der letzten Eiszeit deutlich häufiger vorkommt. Es liegt deshalb nahe, dass sie in der Vergangenheit größtenteils vorteilhaft für ihre Träger gewesen ist.

DNA-Analysen im Labor
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
DNA-Analysen im Labor

27 Prozent geringeres Risiko für HIV-Infektion

Die Neandertaler-Variante befindet sich in einer Region auf Chromosom drei, wo sich außerdem mehrere Gene befinden, die mit Rezeptoren im Immunsystem in Verbindung stehen. Einen dieser Rezeptoren – CCR5 – nutzt das HIV-Virus, um weiße Blutkörperchen zu infizieren. Zeberg fand heraus, dass Menschen mit einer ererbten Covid-19-Risikovariante weniger CCR5-Rezeptoren haben. Bei der Analyse von Patientendaten aus drei großen Biobanken zeigte sich, dass Träger der Covid-19-Risikovariante ein um 27 Prozent geringeres Risiko für eine HIV-Infektion aufweisen.

„Diese Genvariante zu besitzen, kann für den Träger sowohl gut als auch schlecht sein: schlecht, wenn er sich mit Covid-19 infiziert, gut, wenn die Gefahr einer HIV-Infektion besteht und ein gewisser Schutz gegen dieses Virus vorhanden ist“, erklärte der Max-Planck-Experte.

Früher vermutlich Schutz vor anderer Krankheit

Da HIV jedoch erst im 20. Jahrhundert aufkam, kann die Schutzwirkung vor dieser Infektionskrankheit nicht erklären, warum die Covid-19-Risikovariante bereits vor 10.000 Jahren beim Menschen so stark verbreitet war. Möglicherweise war es der Schutz vor einer anderen Krankheit, der nach der letzten Eiszeit zur starken Verbreitung dieser speziellen Genvariante beigetragen hat, so die Vermutung der Forscher.