Überschwemmtes Flüchtlingslager im Südsudan
AFP – ASHRAF SHAZLY
AFP – ASHRAF SHAZLY

IPCC: Anpassung an Klimafolgen zu zögerlich

Häufigere Hitzewellen, mehr Starkregen und steigende Meeresspiegel: Ein neuer Bericht des UNO-Weltklimarats (IPCC) skizziert die Risiken der Klimaerwärmung und lotet nötige Anpassungsmaßnahmen aus. Die Lücke dazwischen werde immer größer, die Anpassung erfolge zu zögerlich. Besonders verwundbar seien Länder im Globalen Süden.

Rund die Hälfte der Weltbevölkerung sei stark verwundbar, was die Folgen der Klimaerwärmung betrifft, heißt es im heute veröffentlichten zweiten Teil des sechsten IPCC-Sachstandsberichts. Die Verwundbarkeit sei global jedoch sehr ungleich verteilt. Besonders betroffen seien West-, Zentral-, und Ostafrika, Südasien, Zentral- und Südamerika, kleine Inselstaaten und die Arktis.

Klimagefährdung und Armut gehen Hand in Hand

Krisen, wie die Flutkatastrophe im Ahrtal, würden zeigen, dass jede und jeder verwundbar sei, was Klimagefahren angeht, sagt IPCC-Autor Jörn Birkmann von der Universität Zürich. Die Verwundbarkeit sei aber in Regionen mit hoher Armut, fehlender Infrastruktur und staatlicher Instabilität höher. „In den letzten zehn Jahre sind in diesen besonders verwundbaren Regionen 15-Mal mehr Leute durch Stürme, Hochwasser und Dürren zu Tode gekommen.“

Bedrohung menschlicher Lebensgrundlagen

Die Folgen der Klimaerwärmung würden schneller auftreten und seien zudem umfassender und gravierender als man noch vor 20 Jahren angenommen habe, heißt es im neuen Bericht, an dem 270 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 67 Ländern mitgearbeitet haben. Die Klimafolgen würden einhergehen mit verheerenden Konsequenzen für die menschliche Lebensgrundlage.

Acht Prozent der heutigen Ackerfläche werden 2100 nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein. Die Fischereierträge könnten bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 41 Prozent zurückgehen, was Millionen von Menschen der Gefahr von Mangelernährung aussetzt, da ihnen eine wichtige Proteinquelle fehlt.

Wird die Klimaerwärmung nicht auf unter zwei Grad Celsius eingedämmt, würden die Folgen noch umfassender ausfallen. Steigt die globale Mitteltemperatur um vier Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten, wäre jede zweite Pflanzen- und Tierart stark vom Aussterben bedroht.

Waldbrand in Marokko im August 2021
AFP – FADEL SENNA
Waldbrand in Marokko im August 2021

Natur- und Klimaschutz verbinden

Die Übernutzung der Natur mache diese auch anfälliger für die Klimaerwärmung, sagt Hans-Otto Pörtner, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe und Ökophysiologe am Alfred-Wegener-Institut in Deutschland. Mensch, Natur und Klima würden miteinander in Wechselwirkungen stehen; Wechselwirkungen, die auch Teil der Lösung sein könnten. Die Natur könne sich an die Klimaerwärmung anpassen und CO2 binden, jedoch nur, wenn ihr dafür Platz eingeräumt wird. „Das betrifft 30 bis 50 Prozent der Erdoberfläche, die wir für Naturräume zur Verfügung stellen sollten, um diese Abwärtsspirale zu beenden.“

Klimarisiken zukünftiger Generationen

Die Welt, in der die heute geborene Generation alt wird, wird laut Weltklimarat eine andere sein. Kinder, die heute zehn Jahre alt oder jünger sind, werden eine fast vierfache Zunahme an Extremereignissen erleben. Wird das 1,5 Grad Ziel verfehlt, wird die Zunahme noch größer ausfallen. Bis zu drei Viertel der Weltbevölkerung könnten tödlichem Hitzestress ausgesetzt sein. Bis zu drei Milliarden Menschen müssten auf Grund von Dürren mit chronischer Wasserknappheit kämpfen; in Süd- und Südostasien wird man küstennahe Wohngebiete und Infrastruktur aufgeben müssen.

Effektive Anpassung ist möglich

Wasserspeicher, Hangsicherungen und Kühlungsanlagen: Zwar hätten Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaerwärmung und ihre Folgen in den letzten Jahren zugenommen, doch zwischen dem, was nötig wäre, und dem, was derzeit unternommen wird, klafft laut Weltklimarat noch eine große Lücke; es fehle oftmals an finanziellen Mitteln, politischem Willen und dem Gefühl der Dringlichkeit.

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„Wenn wir kurzfristig planen, nur für zehn oder 20 Jahre, dann haben wir vielleicht die Auswirkung in 50 Jahren nicht richtig miteinbezogen“, warnt IPCC-Autorin Diana Reckien von der niederländischen Universität Twente. Gerade im Infrastrukturbereich müssten Maßnahmen langfristig und über Regionen hinweg geplant werden; auch negative Konsequenzen sollten miteinbezogen werden. Beispielsweise könnte ein Damm zwar kurzfristig einen Küstenabschnitt schützen, langfristig aber das küstennahe Ökosystem zerstören und Menschen, die sich dahinter in Sicherheit wähnen, nur unzureichend schützen.

Da mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, kommt diesen laut IPCC eine zentrale Rolle zu, was die Anpassung betrifft. Naturbasierte Lösungen hätten ein großes Potenzial, die Folgen der Klimaerwärmung im urbanen Raum einzudämmen, meint Reckien; Straßenbäume, miteinander vernetzte Grünräume oder renaturierte Kanäle könnten Hitzeinseleffekte und Überflutungen reduzieren.

Ein Paar steht unter einem Regenschirm vor einer überschwemmten Straße
AFP – SAEED KHAN
Überschwemmung in Australien im Mai 2021

Unverzügliches Handeln notwendig

„Was der Bericht ganz klar zeigt, ist, welche Möglichkeiten für Europa bestehen, aber auch welche bei bestimmten Erwärmungen nicht mehr effektiv sein werden“, sagt IPCC-Autorin Daniela Schmidt von der University of Bristol. Bis Mitte des Jahrhunderts und bis zu einer Erwärmung von 1,5 Grad Celsius sei das Potenzial für Anpassungsmaßnahmen noch groß, heißt es im Bericht. Erwärmt sich das Weltklima darüber hinaus, sinke auch die Effektivität der meisten land- und wasserbasierten Anpassungsmaßnahmen.

Wird jetzt in Anpassungsmaßnahmen investiert, könne man dadurch höhere Investitionen in der Zukunft vermeiden. Der potenzielle Nutzen der Maßnahmen sei langfristig höher als ihre Kosten. „Auch wenn wir jetzt schon Auswirkungen sehen, diese Auswirkungen werden dramatisch stärker werden, wenn wir anderthalb Grad globaler Erwärmung übersteigen“, betont Schmidt.

Viele Klimafolgen werden beispielsweise durch Wasser verursacht; durch zu viel oder zu wenig Wasser, durch eine Verschiebung bzw. den Ausfall von Niederschlag oder durch das Fehlen von sauberem Trinkwasser. Um hier entgegenzuwirken, braucht es große Infrastrukturprojekte. Projekte, die gut und langfristig geplant sein sollten, da sie eine einmal getroffene Entscheidung für Jahrzehnte einzementiere. „Noch gibt es Möglichkeiten, wie wir uns anpassen können. Diese Möglichkeiten werden geringer werden, je wärmer es wird“, sagt Daniela Schmidt.