Tiermarkt in Peking
AFP – NICOLAS ASFOURI
AFP – NICOLAS ASFOURI
Coronavirus

Drei Studien gegen die Laborthese

Auch über zwei Jahre nach dem Auftreten von SARS-CoV-2 reißt die Debatte um die Herkunft des Virus nicht ab. Drei neue Studien argumentieren gegen die „Laborthese“ und für einen natürlichen Ursprung am Tiermarkt von Wuhan – wobei chinesische Fachleute eine Herkunft außerhalb Chinas andeuten.

Die drei Studien liefern Argumente gegen die Annahme, dass das Virus aus dem Institut für Virologie in Wuhan stammt. Und auch, dass es „trotz mangelnder Transparenz seitens der chinesischen Regierung weiterhin Daten gibt, die über das größte Geheimnis der Pandemie Aufschluss geben können“, wie die US-Wissenschaftszeitschrift „Science“ schreibt.

Zweimal auf den Menschen übergesprungen

Alle drei Studien sind noch nicht in einer Fachzeitschrift erschienen, wurden also noch nicht vollständig von der Fachgemeinde begutachtet und liegen als Preprints vor. In der ersten Studie beschreibt ein Team um den Evolutionsbiologen Michael Worobey von der University of Arizona zwei leicht unterschiedliche SARS-CoV-2-Typen, die Ende 2019 bei Menschen auf dem Wuhan-Markt aufgetreten sind. Das spreche dafür, dass das Virus mindestens zweimal von Tieren auf Menschen übergesprungen sei. Die erste Linie vermutlich Ende November 2019, die zweite ein paar Wochen später. Das nahezu zeitgleiche Auftauchen zweier Linien spreche gegen die These eines Laborunfalls.

Tiermarkt als „Epizentrum der Pandemie“

In einer zweiten Arbeit liefert das gleiche Team eine geografische Zuordnung der ersten dokumentierten Covid-19-Fälle, u.a. mit Hilfe von Daten des Socia-Media-Dienstes Weibo. Beide SARS-CoV-2-Linien traten gehäuft bei Personen auf, die Verbindungen zu dem Tiermarkt hatten oder in der Nähe wohnten.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch die konkreten Markstände, an denen „CoV-verdächtige“ Tiere lebend verkauft wurden, darunter Marderhunde, Dachse und Rotfüchse. In der Nähe dieser Markstände gab es deutlich mehr positive Virusproben, die der Umwelt entnommen worden waren. Beides spreche dafür, dass der Wildtierhandel SARS-CoV-2 hervorgebracht hat und der Tiermarkt das „Epizentrum der Pandemie“ war.

These vom eingeschleppten Virus

Die dritte Preprint-Studie stammt von einem Team um den Virologen George Gao von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und liefert laut „Science“ die bisher genaueste Beschreibung von Umweltproben, die die chinesischen Behörden im Jänner und Februar 2020 auf dem Tiermarkt in Wuhan gesammelt haben. Unter den knapp 1.400 Proben befinden sich neben solchen von Böden, Abwasserrohren und Geflügel-Rupfmaschinen auch rund 200 von Tieren.

Bei 73 Proben konnten die Forscherinnen und Forscher SARS-CoV-2 nachweisen – allerdings in keiner einzigen Tierprobe. Das veranlasst die chinesischen Fachleute zur Spekulation, dass Menschen das Virus zum Markt gebracht haben und dieser ein „Verstärker“, nicht aber die Quelle von SARS-CoV-2 gewesen zu sein. Gao und sein Team zitieren Studien, wonach das Virus zuvor aus anderen Ländern nach Wuhan eingeschleppt worden sein könnte – eine bei der chinesischen Regierung beliebte These.

Zweifel und Hoffnung auf Publikation

Für den US-Evolutionsbiologen Michael Worobey sind alle drei Studien starke Beweise gegen die Laborthese – und er gehört zu jenen Forschern, die sich für eine lückenlose Aufklärung der Frage eingesetzt hat. Im Mai 2021 unterschrieb er in der Fachzeitschrift „Science“ einen offenen Brief, der die Ergebnisse der offiziellen WHO-Untersuchung als voreilig kritisierte. Diese hatte die Laborthese als „extrem unwahrscheinlich“ bezeichnet.

Das letzte Wort ist mit den drei neuen Studien natürlich wieder nicht gesprochen. Es gibt Fachleute, die etwa die Annahme einer doppelten Tier-Mensch-Übertragung kritisieren – sie glauben, dass die Unterschiede der beiden SARS-CoV-2-Linien von Mutationen im Menschen stammen und nicht von einer zweifachen Übertragung.

Mit Spannung warten Forscherinnen und Forscher auf die Veröffentlichung der Gao-Studie. Sie wurde beim „Nature“-Verlag eingereicht und könnte durch die Fachbegutachtung noch bedeutend verbessert werden – konkret durch die Angabe, welche tierische DNA sich in dem Umweltproben des Wuhan-Markts befunden hat. Damit könnte man den Viren-Überträgern vielleicht auf die Schliche kommen.