Kunstobjekt der Hefe-Ausstellung
Anna Dumitriu, Alex May, 2021
Anna Dumitriu, Alex May, 2021
Ausstellung

Vergangenheit und Zukunft der Hefe

Hefepilze sind seit Jahrtausenden treue Begleiter der Menschen. Was sie der Menschheit kulturhistorisch gebracht haben und was sie in Zukunft leisten könnten – dem geht die Ausstellung „Fermenting Futures“ in Wien nach.

Die Kunst des Gärens beherrscht der Hefepilz perfekt. Manche Wissenschaftler meinen, die Menschheit verdankt dem Hefepilz die Sesshaftigkeit. Sie nehmen an, dass die Fähigkeit einer Hefe, Zucker in Alkohol zu vergären, zur Entwicklung erster menschlicher Siedlungen geführt hat, da die Menschen zur Herstellung von Bier in der Nähe ihrer Felder bleiben mussten, um sie zu bewirtschaften.

„Die Fähigkeit, Zucker zu vergären, machte Hefe jedenfalls seit Jahrtausenden zu einer unentbehrlichen Begleiterin der Menschen“, so Diethard Mattanovich, Mikrobiologe am Institut für Mikrobiologie und Mikrobielle Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er leitet das beteiligte Wissenschaftlerteam der Ausstellung Fermenting Futures in der Künstlerhaus-Factory.

Wissenschaft trifft Kunst

In der Ausstellung zu sehen ist eingangs erst einmal ein nüchterner Glas-Fermentor. Wissenschaftler züchten hier Hefepilze heran, es gibt Tausende verschiedene, erklärt Diethard Mattanovich: „Wir arbeiten hauptsächlich mit zwei Hefearten. Das eine ist die Bäckerhefe, das andere eine Hefe, die man auf Bäumen finden kann. Sie hat die Eigenschaft, dass sie Methanol als Rohstoff verwerten kann.“

Mit Hilfe von Hefe könnte man nachhaltige Rohstoffe produzieren, hoffen Forscherinnen. In der Ausstellung „Fermenting Futures“ geht es um die Herstellung von Milchsäure mithilfe von Hefe. Die Künstlerin Anna Dumitriu und der Künstler Alex May haben gemeinsam mit Mattanovich und seinem Team im Labor daran gearbeitet.

Plastik aus Milchsäure

„Milchsäure ist deshalb spannend, weil sie der Rohstoff für ein Bioplastik ist, für Polymilchsäure“, erklärt Diethard Mattanovich. Zentrales Element der Ausstellung ist eine phantastische Hefe-Skulptur, dem Glas-Fermentor nachempfunden, aber viel bunter und aufregender gestaltet. Ein uraltes Lebewesen im futuristischen Gewand. Am Rand klebt ein selbst hergestelltes Stück Plastik.

Um das zu schaffen, werden die Hefen genetisch so verändert, dass sie nicht mehr Alkohol produzieren, so wie das die Bäckerhefe normalerweise tut, sondern Milchsäure. „Man entfernt ein Gen für den Alkohol und bringt ein Gen für die Milchsäure ein“, fasst es Diethard Mattanovich zusammen.

Nachhaltiges Plastik

Der Hintergedanke: Um sich von der Abhängigkeit von Erdöl zu lösen, muss die Menschheit neue, nachhaltige Wege finden. Hefe könnte hier hilfreich sein, denn genau so, wie sie Zucker zu Alkohol vergären kann, so kann sie auch andere Chemikalien produzieren, etwa Treibstoffe, Rohstoffe für Bioplastik, Arzneimittel, Aromen oder Farbstoffe.

Doch wie sinnvoll ist es überhaupt, weiter Plastik zu produzieren? Das ist nur eine der fruchtbaren Diskussionen, die es zwischen Kunst und Wissenschaft im Zuge der Ausstellung gegeben hat. „Es war spannend, sich dem auszusetzen. Es ist natürlich eine Diskussion, die man als Forscher in diesem Gebiet nicht unmittelbar führt“, meint Diethard Mattanovich.

Der thematische Bogen der künstlerischen Arbeiten wiederum spannt sich vom Klimawandel, CO2-Speicherung und der globalen Plastikverschmutzung der Erde, über Bio-Archäologie bis hin zur langen Koevolution von Mensch und Hefe.