Der mit Wolken überzogene Abendhimmel spiegelt sich auf den Solarzellen einer vor Windrädern stehenden Solarkraftanlage.
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
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CoV-Wirtschaftshilfen

Verpasste Chance für grünere Zukunft

In der Coronavirus-Pandemie haben Regierungen große Geldsummen investiert, um die entstandenen wirtschaftlichen Schäden zum Teil aufzufangen. Experten kritisieren aber, dass dabei zu wenig an die Umwelt gedacht wurde. In den G-20-Staaten flossen zum Beispiel nur sechs Prozent der Wirtschaftshilfen in klimafreundliche Bereiche.

Die CoV-Pandemie hat die Welt vor bislang kaum dagewesene Herausforderungen gestellt. Viele Wirtschaftszweige mussten plötzlich mit starken Einbußen zurechtkommen, andere Bereiche, wie etwa die Nachtgastronomie, mussten zum Teil komplett auf ihre Einnahmen verzichten. In vielen Ländern wurden daher Gelder bereitgestellt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie aufzufangen und Betroffenen ein wenig unter die Arme zu greifen.

14 Billionen Dollar Wirtschaftshilfen

In einem vor kurzem im Fachjournal „Nature“ veröffentlichten Kommentar haben Experten der Johns-Hopkins-Universität berechnet, dass die G20-Regierungen seit Beginn der Pandemie rund 14 Billionen Dollar in Form von Wiederherstellungspaketen investiert haben.

Zu den G20-Regierungen gehören die wirtschaftlich stärksten Länder der Welt – sie sind aber auch gleichzeitig für etwa 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. „Diese Wiederherstellungspakete waren für die Regierungen eigentlich eine Chance zu entscheiden, wie die künftige Wirtschaft im Land aussehen soll und wie man sie in eine klimafreundlichere Richtung lenken könnte“, erklärt Koautor Scot Miller gegenüber science.orf.at.

Kaum Investitionen in grünere Zukunft

Gerade in Zeiten voranschreitender Klimaerwärmung und klarer Ziele durch das Pariser Klimaabkommen hätten Regierungen in Bereiche investieren müssen, die zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen, so Miller. Geschehen sei das aber nur in geringem Ausmaß. Miller: „Wir haben berechnet, dass die G20-Regierungen nur etwa sechs Prozent der Wiederherstellungspakete in derartige Bereiche investiert haben.“ Von den rund 14 Billionen US-Dollar wurden also nur etwa 860 Milliarden in klimafreundliche Wirtschaftszweige gesteckt.

Rund 91 Prozent der Gelder aus den Hilfspaketen floss in Bereiche, die keine Auswirkungen auf das Klima haben. Die restlichen drei Prozent wurde hingegen in Wirtschaftszweige investiert, die das Klima aktiv schädigen. „In Südafrika oder Indien zum Beispiel wurde während der Pandemie Geld für den Kohlesektor bereitgestellt, wodurch künftig natürlich mehr Emissionen entstehen.“

Geografische Unterschiede

Welche Regierung wie viel in klimarelevante Bereiche steckt, variiert auch innerhalb der G20-Staaten. Die Europäische Union und Südkorea führen die Liste an – dort wurden während der Pandemie rund 30 Prozent der Wiederherstellungspakete in klimafreundliche Wirtschaftszweige investiert. Frankreich hat etwa 60 Millionen Dollar in den Fahrradbereich gesteckt, um Räder als grüne Alternative für die Bevölkerung interessanter zu machen. In Deutschland flossen einige Gelder in den Bau von Ladestationen für elektronische Fahrzeuge.

Anders sieht es hingegen laut dem Expertenkommentar in den Vereinigten Staaten, Japan oder Kanada aus. Dort wurden weniger als zehn Prozent der Gelder in klimafreundliche Bereiche investiert.

Aktive und passive Auswirkungen

Von den rund 860 Milliarden Dollar, die von den G20-Staaten während der Pandemie in klimafreundliche Bereiche investiert wurden, wirke sich aber nur ein kleiner Teil direkt auf die Emissionen aus, so die Autoren. „Wir haben berechnet, dass nur etwa 27 Prozent der Investitionen aktiv zu einer Reduktion von Treibhausgasen beitragen“, so Miller. Dazu gehört etwa der Bau von Photovoltaik-Anlagen oder Investitionen in erneuerbare Energieformen.

72 Prozent der Investitionen würden sich nur passiv auf das Klima auswirken, wie etwa die E-Ladestationen in Deutschland. „Hier wird der Weg in eine grünere Zukunft zwar geebnet, die Bevölkerung muss aber noch selbst aktiv werden“, so Miller. Die deutschen Ladestationen seien zwar eine gute Voraussetzung für die Zukunft, viele Personen müssten jedoch erst auf elektrische Fahrzeuge umsteigen, um die positiven Auswirkungen auf das Klima tatsächlich messbar zu machen.

Weniger Investitionen als bei früheren Krisen

Miller kritisiert, dass während der Pandemie nur sechs Prozent aus den Wiederherstellungspaketen in klimafreundliche Bereiche geflossen sind, denn bei früheren Krisen war es mehr. Zum Vergleich: Während der Finanzkrise von 2007 bis 2009 wurden global rund 16 Prozent der Wirtschaftsförderungen in Bereiche investiert, die zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen sollten.

Warum während der CoV-Pandemie weniger Geld in klimarelevante Bereiche investiert wurde, sei laut den Autoren derzeit nur schwer zu bestimmen. Die Experten haben aber ein paar Hypothesen. Miller: „Zum Beispiel, dass Investitionen in den Gesundheitsbereich für viele Regierungen relevanter waren als das Klima. Die CoV-Pandemie wurde eben eher als Gesundheitskrise statt als Wirtschaftskrise gesehen.“ Um jedoch genau zu bestimmen, warum in letzter Zeit weniger in eine klimafreundliche Zukunft investiert wurde als noch vor ein paar Jahren, seien weitere Untersuchungen nötig.

Wirtschaft strategisch positionieren

Die geringen Investitionen zur Reduktion von Treibhausgasen sind laut Miller eine verlorene Chance. Um künftige Wirtschaftshilfen auch für eine klimafreundliche Zukunft relevant zu machen und vorgegebene Klimaziele eventuell noch zu erreichen, zeigen die Experten im Kommentar einige Punkte auf, die Regierungen berücksichtigen sollten.

So sollen Firmen, um Gelder aus Wiederherstellungspaketen zu bekommen, etwa gewisse Umweltauflagen erfüllen müssen. Außerdem sollten sich Regierungen auf Bereiche konzentrieren, die direkte Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen haben, wie etwa Investitionen in erneuerbare Energieformen. Staaten sollten sich außerdem schon jetzt für eine klimafreundlichere Zukunft rüsten und ihre Wirtschaftszweige strategisch so positionieren, dass sie auch in einer Welt ohne Verbrennungsmotoren Einnahmen generieren können.