Regenwald auf Madagaskar
Sebastien Desbureaux
Sebastien Desbureaux
Studie

Bergbau und Naturschutz kein Widerspruch

Kompensationsprojekte sind umstritten: Sie sollen klima- oder umweltschädliche Folgen von Industrie und Verkehr anderswo ausgleichen. Eine neue Studie zeigt nun, dass das funktionieren kann: Die Betreiber einer Nickelmine auf Madagaskar schützten anderswo auf der Insel den Regenwald – und damit auch die Artenvielfalt.

Die vor 15 Jahren errichtete Ambatovy-Mine liegt im Osten Madagaskars und ist ein großer Wirtschaftsfaktor für die Insel. Rund acht Milliarden US-Dollar wurden investiert, nach Eigenangaben die höchste Summe Kapital, die jemals aus dem Ausland in den afrikanischen Staat floss. Die Mine beschäftigt rund 9.000 Personen, jährlich fördern sie an die 60.000 Tonnen Nickel und 6.000 Tonnen Kobalt – wichtige Rohstoffe für die weltweite Produktion von Batterien.

2.000 ha Regenwald zerstört – und anderswo geschützt

Diese Wirtschaftsleistung hat aber Folgen für die Natur. Rund 2.000 Hektar artenreicher Regenwald wurden für die Mine und nötige Pipelines an die Küste zerstört. Von Beginn strebten die Bergbaubetreiber aber Nachhaltigkeit in Sachen Biodiversität an, berichtet ein Forschungsteam um Katie Devenish von der Bangor University in Wales. Um die zerstörten Wälder rund um die Mine „wiedergutzumachen“, unterstützten sie in vier anderen Regionen der Insel Waldschutzprojekte. „Nach unserer Analyse hat die Ambatovy-Mine Ende 2021 bereits so viel Regenwald geschützt, wie durch die Mine verloren gegangen war“, sagt Devenish.

Wälder rund um die Ambatovy mine
Sebastien Desbureaux
Wälder rund um die Ambatovy-Mine

Das einzuschätzen und zu quantifizieren, sei alles andere als einfach. Knapp 13.000 Biodiversitäts-Ausgleichsprojekte weltweit zählt eine Datenbank der Weltnaturschutzunion (IUCN). Aber nur bei einer Handvoll davon sei die Wirkung tatsächlich überprüft worden, schreiben die Fachleute in der soeben im Fachmagazin „Nature Sustainability“ erschienenen Studie. Das liege daran, dass es schwierig ist, Biodiversität direkt zu messen. Als Näherungswert verwendeten die Forscherinnen und Forscher deshalb die Bedeckung der Landoberfläche mit Wald. Die Annahme: mehr Wald, mehr Artenvielfalt.

Langfristige Nachhaltigkeit unklar

Das Team um Devenish wertete deshalb Satellitenbilder der Kompensationsregionen aus und untersuchte, wie sich dort die Bedeckung mit Wald entwickelte. Ergebnis: Bis Ende 2021 wuchs der Baumbestand dort um rund 2.000 Hektar – in etwa so viel, wie seit dem Minenbau verloren gegangen war. Das Vorhaben, die Verluste auszugleichen, sei also geglückt, schließen die Forscherinnen und Forscher. Ob damit auch die Biodiversität kompensiert wurde, ist freilich nicht klar.

Und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen hat die Studie keine Arten gezählt, sondern wie beschrieben die Baumbedeckung als Annäherungswert verwendet. Zum anderen ist auch nicht klar, wie nachhaltig der Waldschutz bleibt. Denn wenn sich die Betreibergesellschaft von der Mine zurückzieht, vermutlich Mitte des Jahrhunderts, könnte es auch mit den Maßnahmen in den Waldschutzregionen vorbei sein.

Lemur auf Madagaskar glotzt in die Kamera
Sebastien Desbureaux
Lemuren leben rund um die Mine und stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten

Bevölkerung trägt die Kosten

Und diese selbst sind alles andere als unumstritten. Der Waldschutz geht nämlich zu Lasten der lokalen Bevölkerung. Damit diese den Regenwald weniger strapaziert, soll sie weniger flächenintensive Landwirtschaft betreiben. Die Minengesellschaft fördert deshalb wirtschaftliche Alternativen – etwa das Betreiben von Fischfarmen, Ökotourismus und Gewürzanbau.

Der Nutzen dieser Alternativen für die Regenwaldbewohnerinnen und -bewohner sei aber geringer als ihre Kosten, schreiben Devenish und ihr Team. „Das zeigt, dass die ländlichen Gemeinschaften rund um die Kompensationsbereiche die Kosten für den Schutz der Biodiversität tragen.“ Wenn man die UNO-Nachhaltigkeitsziele ernstnehme, dürfe man nicht das eine („keine Armut“) gegen das andere („Leben an Land“) ausspielen – sondern versuchen, sie unter einen Hut zu bekommen. Trotz dieser Vorbehalte liefere ihre Studie den Beweis, dass Rohstoffabbau und Schutz von Biodiversität kein prinzipieller Gegensatz sei, betonen die Forscherinnen und Forscher.