Emissionen: Dampfende Schlote im Sonnenuntergang
Matthias Ernert/dpa
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Die schwelende Krise im Hintergrund

Seit Jahrzehnten wird die Klimakrise von anderen Krisen, von Kriegen und zuletzt etwa der Pandemie überlagert. Das führt laut dem Politologen Reinhard Steurer nicht nur zu immer stärker spürbaren Folgen der Erderwärmung: Wird Klimaschutz nicht bald ernster genommen, werde die Klimakrise selbst in Zukunft der Hauptauslöser für Kriege sein.

Dass die Klimakrise immer in den Hintergrund rückt, wenn es eine andere akute Krise gibt, liege daran, dass sie „ein vergleichsweise langsames Problem“ ist, sagt der Politologe Reinhard Steurer: „Sie entwickelt sich seit Jahrzehnten, und jetzt tritt die Verschärfung langsam ein.“ So wie aktuell der Krieg Russlands in der Ukraine und die Coronavirus-Pandemie werde es aber immer wieder Krisen geben, die die Klimakrise überlagern.

„Das ist ein wiederkehrendes Muster, das sich Jahrzehnte zurückverfolgen lässt. Man findet immer wieder diese Momente, wo die Klimakrise aus dem Vordergrund verdrängt wurde“, so der Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Begonnen habe diese Entwicklung 2001 mit 9/11, dann folgten der Irak- und der Afghanistan-Krieg.

Kurzes Zeitfenster für „Fridays for Future“

„In den Jahren 2006 bis 2008 gab es dann ein kurzes Zeitfenster, in dem Klimaschutz in öffentlichen Diskussionen eine wichtige Rolle gespielt hat.“ In dieser Zeit bekamen der UNO-Weltklimarat (IPCC) und der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore den Friedensnobelpreis, und es sei viel über das Problem gesprochen worden – bis die Finanzkrise ausbrach. Ein kurzes Zeitfenster für den Klimaschutz sei dann noch einmal kurz vor dem Beginn der Coronavirus-Pandemie aufgegangen – „das war die Voraussetzung für ,Fridays for Future’“.

Fridays For Future, Greta Thunberg, Demo, Wien
AP
Greta Thunberg bei einer „Fridays For Future“-Demonstration im Mai 2019 in Wien

Im September 2018 wurde von der Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg erstmals der Hashtag #FridaysForFuture verwendet, aus dem der Name für die globale Bewegung wurde. Dieses Zeitfenster habe sich aber mittlerweile wieder geschlossen, so Steurer: „Das wiederkehrende Muster hat mit der Langsamkeit der Klimakrise zu tun. Es wird immer wieder akute Krisen geben, die den Klimaschutz an den Rand drängen.“

„Gaseinkäufe finanzieren Russland den Krieg“

Die Konsequenz daraus sei klar: „Die Klimapolitik verliert dadurch an Brisanz“. Der Fokus werde woanders hingelegt – zum Teil aus verständlichen Gründen, wie eben jetzt beim Krieg in der Ukraine. „Da stehen natürlich die humanitären Folgen im Vordergrund: Das menschliche Leid übertrifft alles.“ Der Krieg Russlands in der Ukraine mache aber auch deutlich, dass der Gasausstieg mindestens so dringend wie der Kohle- und Ölausstieg sei. „Mit unseren Gaseinkäufen aus Russland finanzieren wir aktuell diesen Krieg – ich denke, es ist jedem klar, wie problematisch das ist“, so der Politologe.

Die Kriege der Zukunft

In Zukunft werde auch die Erderwärmung immer öfter Ursache für Kriege sein, prognostiziert Steurer. „Wir werden mehr und mehr Kriege sehen, bei denen es um die Folgen der Klimakrise geht. Also etwa darum, dass weite Landstriche unbewohnbar werden, dass Nahrungsmittelknappheit und Hungersnöte ausbrechen, dass Kriege um Wasser geführt werden.“

„Das werden die Kriege der Zukunft sein“, sagt der Politologe. Nicht nur Umweltschützerinnen und Umweltschützer seien dieser Meinung, auch dem US-Verteidigungsministerium sei bereits seit Jahrzehnten klar, dass die Klimakrise eine große militärische Bedrohung der Zukunft sein werde. „Wenn wir den Klimaschutz nicht ganz schnell viel ernster nehmen, werden wir leider in eine sehr unruhige Zeit gehen.“