Blick in einen Schrank auf Fläschchen mit homöopathischen Präparaten
dpa/Frank Rumpenhorst
dpa/Frank Rumpenhorst
Homöopathie

„Wirksamkeit“ oft nur Zufallstreffer

Da sie keine Wirkstoffe enthält, wirkt sie auch nicht – außer als Placebo: Das ist kurz gesagt die Hauptkritik an Homöopathie. Dennoch erscheinen seit Jahren Studien, die versuchen, ihre Wirksamkeit zu beweisen. Diese Studien sind allerdings äußerst mangelhaft und liefern oft nur Zufallsergebnisse, wie eine neue Übersichtsarbeit zeigt.

Seit Jahren steht die Homöopathie von Seiten der Wissenschaft unter Beschuss – frei nach dem Motto „Nichts drin, nichts dran“. Trotzdem gilt sie in vielen Ländern als Alternative zur modernen Medizin. Ein Marktforschungsbericht eines US-amerikanischen Unternehmens hat etwa ergeben, dass im Jahr 2018 global rund 5,5 Milliarden US-Dollar mit Homöopathie-Produkten eingenommen wurden. Am umsatzstärksten waren dabei Europa und Nordamerika.

Selektive Auswahl von Stichproben

Der Kritik „Nichts drin, nichts dran“ entgegnen Homöopathen indes oft mit dem Hinweis auf Studien, in denen die Wirksamkeit der Mittel klar aufgezeigt wird. Diese Studien gibt es zwar, deren Ergebnisse seien aber oft nur „Zufallsresultate, die durch die Stichproben entstehen“, meint Gerald Gartlehner, der Leiter des Departments für evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems und Direktor von Cochrane Österreich, einem internationalen Netzwerk für evidenzbasierte Forschung in der Medizin. Gegenüber science.ORF.at erklärt er: „Es gibt bei Experimenten mit Stichproben immer Resultate, die besonders gut oder besonders schlecht sind. Problematisch ist das dann, wenn davon nur die gewünschten Ergebnisse veröffentlicht werden.“

Genau das scheint im Bereich der Homöopathie aber oft der Fall zu sein, wie Gartlehner zusammen mit einem österreichischen Forscherteam herausgefunden hat. Die daraus entstandene Analyse präsentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktuell im Fachjournal „BMJ Evidence Based Medicine“. Am Projekt beteiligt waren die Universität für Weiterbildung Krems, die Karl Landsteiner Privatuniversität und die Medizinische Universität Wien.

Forschungsstandards in Medizin gebessert

„Es hat schon mehrere Analysen gegeben, die sich veröffentlichte Studien zu homöopathischen Mitteln näher angesehen haben“, so Gartlehner. In einigen dieser Analysen sei der Homöopathie aufgrund der verfügbaren Daten auch eine gewisse Wirkung zugesagt worden. „Wir wollten uns aber auch anschauen, wie viele Studien auf dem Weg zur Publikation verschwinden und wie es sonst um die wissenschaftlichen und ethischen Standards in der Homöopathie-Forschung bestellt ist“, erklärt Gartlehner.

Im Bereich der Medizin gibt es öffentlich einsehbare Datenbanken (EU und USA). In der Deklaration von Helsinki aus dem Jahr 2008 wurden Forscherinnen und Forscher dazu aufgerufen, ihre geplanten Untersuchungen vorab in diesen Datenbanken zu registrieren und die Ergebnisse der Untersuchungen immer auch zu publizieren – unabhängig davon, ob die gewünschten Resultate erzielt werden oder nicht. „Natürlich gibt es immer noch Forscherinnen und Forscher, die sich auch im medizinischen Bereich nicht an diese Standards halten. Dass Studien aber wegen unerwünschter Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, kommt immer seltener vor“, so Gartlehner. Zu groß sei der Druck von Journalen und anderen Institutionen, die wissenschaftlichen und ethischen Standards einzuhalten.

Datenbanken zu Literatur durchforstet

Anders sehe das hingegen im Bereich der Homöopathie aus. Das Team um Gartlehner hat internationale Datenbanken durchsucht und registrierte Forschungsprojekte mit tatsächlichen Publikationen verglichen. Die Auswertung zeigt, dass 38 Prozent der Studien zu homöopathischen Mitteln, die seit 2002 auf den untersuchten Datenbanken registriert wurden, nie erschienen sind. Die Vermutung liegt laut Gartlehner nahe, dass viele davon wegen möglicherweise unzufriedenstellender Ergebnisse gestoppt wurden.

Umgekehrt wurden mehr als die Hälfte der publizierten Studien in diesem Themenbereich vorab nie registriert. Gerade diese Studien zeigen aber meist die besten Resultate, was die therapeutische Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln angeht. „Das heißt, die Untersuchungen wurden durchgeführt, haben dann mehr oder weniger ein gewünschtes Ergebnis gezeigt und wurden dann einfach publiziert“, so Gartlehner. Bei einem Viertel der registrierten Studien wurde außerdem das Hauptziel in der späteren Veröffentlichung verändert.

„Verzerrtes Bild in Homöopathie“

All das seien Hinweise darauf, dass die Publikation vieler Homöopathie-Studien von den darin präsentierten Resultaten abhängt. Ein Problem, das auch als Publikationsbias bekannt ist und dazu führt, dass die Wirksamkeit der Mittel überschätzt werden könnte. „Wir haben wirklich erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathie-Forschung gesehen, die für ein völlig verzerrtes Bild sorgen“, so Gartlehner. Die Frage, ob Konsumentinnen und Konsumenten also darauf vertrauen können, dass homöopathische Mittel so wirken, wie sie sollten, beantwortet er mit einem klaren Nein.

Die Prinzipien der Homöopathie wurden bereits vor fast 200 Jahren entwickelt und werden sicher auch weiter bestehen. Gartlehner fordert aber, dass Untersuchungen in dem Bereich den gleichen wissenschaftlichen und ethischen Standards unterliegen, wie in der Medizin – wo das Registrieren und anschließende Veröffentlichen von Studien, unabhängig von den Resultaten, immer mehr zur Norm wird. Zu wissen, wie Mittel wirken, sei vor allem im Gesundheitsbereich unerlässlich, so Gartlehner. Nur so sei es möglich, dass Patientinnen und Patienten eine informierte Wahl treffen.