Stammzellen und Neuronen: diverse Zelltypen unter dem Mikroskop
Ira Schieren/Columbia’s Zuckerman Institute
Ira Schieren/Columbia’s Zuckerman Institute
Mikrochimären

Fremde Zellen im eigenen Körper

Viele Menschen haben Zellen in ihrem Körper, die nicht ihre eigenen sind. Sie aufzuspüren ist schwierig. Ein Projekt mit österreichischer Beteiligung soll diese Mikrochimären, die etwa während einer Schwangerschaft zwischen den Körpern wandern, nun genauer erforschen.

Auf Zellebene sind viele Menschen in gewissem Maße Mischwesen, Chimären also. Das liegt vor allem daran, dass in der Schwangerschaft Zellen von Mutter und Kind durch die Plazenta in den Körper des jeweils anderen wandern können. Mütter können vereinzelte Zellen ihrer Kinder mit sich tragen und umgekehrt und normalerweise toleriert sie das Immunsystem.

Forscher vermuten, dass dieses Überleben fremder Zellen im Körper positive Effekte für Mutter und Kind bieten könnte. Andere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass der Mikrochimärismus wiederum für die Entstehung von Krankheiten mitverantwortlich sein kann, wie Thomas Kroneis vom Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie der Med Uni Graz gegenüber der APA sagte. Fest steht, dass die fremden Zellen jahrelang im menschlichen Körper überleben können.

Die Vor- und Nachteile des Mikrochimärismus

Eine internationale Gruppe unter der Leitung von Med Uni Graz und der University of California ist diesen mikrochimären Zellen auf der Spur und will ihre Auswirkungen verstehen. Grundsätzlich bekannt ist, dass sich solche Zellen in nahezu alle Zelltypen differenzieren können, auch in Nervenzellen oder Zellen des Immunsystems. Bisherige Studien haben bereits Vorteile des Mikrochimärismus aufgezeigt, etwa beim Sicherstellen des immunologischen Schutzes für den sich entwickelnden Fötus oder bei der Regeneration von mütterlichem Gewebe.

In anderen Studien wurde dem Phänomen jedoch auch eine Rolle bei der Entstehung von Erkrankungen zugewiesen, beispielsweise im Zusammenhang mit Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie oder spontanen Fehlgeburten, aber auch bei Krebs und Autoimmunerkrankungen.

„Herausforderung für die Wissenschaft“

Mikrochimäre Zellen aufzuspüren ist nicht einfach. Vielmehr gleicht diese Arbeit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen: „Die Analyse sehr seltener Zellen, wie es die mikrochimären Zellen sind, war immer schon eine Herausforderung für die Wissenschaft. Das liegt vor allem daran, dass es nur sehr wenige eindeutige Marker gibt, die für eine unkomplizierte Analyse geeignet sind“, schilderte Kroneis. Der Histologe leitete gemeinsam mit der Evolutionsbiologin Amy Boddy von der University of California das internationale Konsortium, das von der John Templeton Foundation eine Förderung in Höhe von 4,85 Millionen Euro erhalten hat.

Ziel des Projektes des Konsortiums ist die Charakterisierung von mikrochimären Zellen, ihre Verteilung im Gewebe, und die Fragen wie sie dorthin gelangen und welchen Einfluss sie auf die unterschiedlichen Gewebe und das Immunsystem haben, so Kroneis. Man wolle etwa verstehen, wie die mikrochimären Zellen mit ihrem Zielgewebe interagieren, damit in der Schwangerschaft eine Toleranz für die fremden Zellen aufgebaut wird, die auch noch nach der Geburt erhalten bleibt.