MDMA, Ecstasy, Drogen
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3-D-Karte

Wie halluzinogene Drogen im Gehirn wirken

Mit einem neuen Ansatz computergestützter Analysen hat ein Forschungsteam eine 3-D-Karte des Gehirns erstellt. Darin sieht man, welche Prozesse nach dem Konsum halluzinogener Drogen aktiv werden. Künftig könnte so die medikamentöse Behandlung von psychischen Störungen revolutioniert werden.

Der Einsatz von bewusstseinserweiternden Drogen oder Psychedelika in der Medizin galt lange als Tabu. Erst in den vergangenen Jahren hat es sich in der Wissenschaft herumgesprochen, dass die Substanzen in gewissen Situationen effektive Behandlungsmöglichkeiten bieten – etwa, wenn es um psychische Probleme, Depressionen und Ängste geht. Immer mehr Studienergebnisse belegen das Potenzial von Psychedelika in der Medizin. Eine Therapie mit der Droge MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) soll etwa bei der Behandlung von Patienten mit schweren posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) helfen.

In der Praxis zugelassen ist der Einsatz von Psychedelika-gestützten Therapien aber noch nicht. „Seit den 60er-Jahren hat es in diesem Bereich keine Forschungsförderungen oder andere Gelder gegeben – das Thema war einfach Tabu“, erklärt der Arzt und Informatiker Danilo Bzdok von der kanadischen McGill Universität gegenüber science.ORF.at. Das Thema sei erst wieder seit den letzten fünf Jahren sehr populär. Und das zu Recht, meint Bzdok: „Wenn jemand zum Beispiel eine Depression hat, dann ist die therapeutische Behandlung, was die Medikamente angeht, fast noch dieselbe, wie in den 1980ern.“ Die Suche nach effektiveren Substanzen sei daher wichtig und lange überfällig.

Knapp 7.000 Erfahrungsberichte

Um Psychedelika aber irgendwann tatsächlich als standardisierte Behandlungsmethode einsetzen zu dürfen, müsse noch klarer werden, wie sie wirken. Zusammen mit einem US-amerikanischen und kanadischen Team hat Bzdok daher die Prozesse, die Psychedelika im Gehirn auslösen, näher untersucht. Die – laut Eigenangaben – „größte derartige Studie bisher“, präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science Advances“.

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Danilo Bzdok
Eine 3-D-Karte zeigt, welche Prozesse nach dem Konsum halluzinogener Drogen aktiv werden und wo sie im Gehirn liegen

Das Team nutzte für die Untersuchung eine Datenbank mit fast 7.000 Berichten, in denen Personen über ihre Erfahrungen mit insgesamt 27 verschiedenen halluzinogenen Drogen berichteten. Die oft mehrere Seiten langen Berichte enthielten dabei freiwillige Informationen über die Gefühle und Bewusstseinszustände, die Individuen nach der Einnahme von LSD, MDMA und anderen gängigen Drogen verspürten.

Analyse mit Sprachprogrammen

Mithilfe von Computersoftware und maschinellem Lernen analysierte das Team die Texte Wort für Wort. Spracherkennungsprogramme halfen dabei, bestimmte Gemeinsamkeiten unter all den Erfahrungsberichten zu finden. Besonders wichtig dabei sei, so Bzdok: „Die Personen hatten keinerlei Vorgaben, was sie in den Berichten erzählen sollten.“ Bei anderen gängigen Forschungsmethoden in dem Bereich seien hingegen Fragebögen die Norm – das Resultat werde dabei schon oft aufgrund der Fragestellungen oder anderer subtiler Faktoren beeinflusst.

Das Team konnte ein Vokabular aus rund 14.000 Wörtern und Wortkombinationen erstellen. Darin waren auch Informationen enthalten, wie häufig sie in den unterschiedlichen Berichten vorkommen. Dabei hat sich gezeigt: „Unabhängig vom Individuum oder der Droge gab es überraschend viele ähnliche Wörter und Beschreibungen.“ Unterschiedliche Drogen führten also bei vielen zu vergleichbaren Eindrücken und Gefühlszuständen während des individuellen „Trips“.

3-D-Karte zeigt Gehirnprozesse

Gleichzeitig war es dem Forschungsteam wichtig, die bewusstseinsverändernden Erfahrungen mit den Prozessen im Gehirn zu verbinden, die für diese Eindrücke und Gefühlszustände sorgen. Einer der dafür bereits bekannten Neurotransmitter ist Serotonin. In der Forschung drehe sich sehr viel um den Botenstoff, wenn es um die Prozesse geht, die Psychedelika auslösen, so Bzdok: „Wenn man sich aber die Reichhaltigkeit der halluzinogenen Bewusstseinsveränderung ansieht, dann kann Serotonin allein nicht für all das verantwortlich sein – seien es visuelle oder auditive Halluzinationen, ein Überschwung an Emotionen oder die in der Wissenschaft oft genannte Egoauflösung.“ Dabei handelt es sich um ein Gefühl, bei dem die Grenzen zwischen dem Selbst und der Umwelt verschwimmen.

Das Forschungsteam untersuchte daher weitere Daten und analysierte, welche bekannten Neurotransmitter-Rezeptorsysteme immer wieder mit gängigen Drogenerfahrungen verbunden werden. Insgesamt 40 solche Systeme analysierte das Team und kartographierte, wo sie im Gehirn am häufigsten vorkommen. „Wir bestätigen natürlich, dass Serotonin für bestimmte Prozesse wichtig ist. Aber wir haben anhand der Daten auch genau aufgezeigt, welche Systeme wahrscheinlich noch eine Rolle spielen“, so Bzdok. Entstanden ist dabei eine 3-D-Karte, in denen die verschiedenen Aspekte von halluzinogenen Drogenerfahrungen anhand der Prozesse im Gehirn aufgezeigt sind.

Neue Medikamente mit Aspekten halluzinogener Drogen

„Wir können den Typ von Erfahrung, den Personen nach der Einnahme von Drogen haben, nun genau lokalisieren“, so Bzdok. Eine gute Grundlage, um die neuronalen Mechanismen bei den vielen Aspekten halluzinogener Substanzen besser zu verstehen und künftig individuell zu erforschen.

In Sachen therapeutische Möglichkeiten bedeute die Untersuchung des Teams zudem, dass eine künftige Psychedelika-gestützte Therapie besser auf bestimmte psychische Probleme und Individuen zugeschnitten werden könnte. „Wir wissen, dass manche Psychedelika bei psychischen Krankheiten wirken – wir wissen aber nicht genau, warum sie helfen“, so Bzdok. Mit der umfangreichen Analyse des Forscherteams würden sich neue Möglichkeiten ergeben, die Wirkung der Substanzen im Detail zu erforschen. Künftig könne so auch die Produktion neuer Medikamente vorangetrieben werden, in denen die jeweils passenden Aspekte der halluzinogenen Drogen enthalten sind.