Rauch steigt aus Schornsteinen auf
Reuters/Peter Andrews
Reuters/Peter Andrews
Weniger Erdgas

Wie der Energiewechsel funktionieren könnte

Um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, will die EU-Kommission die Einfuhr von russischem Erdgas um zwei Drittel reduzieren. Der größte Gasverbraucher in Österreich ist die Industrie. Sie müsste auf Strom oder Wasserstoff umstellen. Schnell wird der Energiewechsel nicht gehen, es gibt aber bereits einige Beispiele – etwa ein Ziegelwerk in Oberösterreich.

Beim großindustriellen Haber-Bosch-Verfahren wird aus Luftstickstoff und Wasserstoff Ammoniak hergestellt – die Basis künstlicher Düngemittel. Da für die Wasserstoffherstellung Gas eingesetzt wird, ist die Düngemittelherstellung energieintensiv. Sie ist für ein Drittel des Energieverbrauchs in der Chemieindustrie verantwortlich, erklärt Ilse Schindler, die die Abteilung Industrie und Energieaufbringung im Umweltbundesamt in Wien leitet.

Die größten Verbraucher

Mit rund 33 Petajoule jährlich ist der Chemiesektor Österreichs größter Gasverbraucher, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion mit rund 26 und der Stahlindustrie mit rund 20 Petajoule Jahresverbrauch. Das sind große Energiemengen, die man erst auf einen Durchschnittsverbrauch runterrechnen muss, um sie greifbar zu machen. Bei einem Durchschnittsverbrauch eines Haushaltes von 3.500 kWh pro Jahr, könnte man mit einem Petajoule Energie eine Stadt wie Salzburg oder den Wiener Bezirk Donaustadt ein Jahr lang mit Strom versorgen, zeigen Beispielsrechnungen des Umweltbundesamts.

Alternative Erneuerbarer Wasserstoff

Um Eisen verarbeiten zu können, muss man es auf über 1.000 Grad erhitzen. Das passiere mit Hilfe von Erdgas, so Schindler. In diesen Prozessen Gas zu ersetzen, sei schwierig. Man könne die Prozesse jedoch optimieren, indem man die Rohlinge auf hoher Temperatur belässt und die Warmhaltephasen möglichst kurz hält. Auch die dafür genutzten Warmhalteöfen könnten unter Umständen elektrisch betrieben werden. „Das ist aber nur sinnvoll, wenn der Strom erneuerbar hergestellt ist.“ Dasselbe gilt für die Alternative Wasserstoff. Auch er müsste mit Hilfe von Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft erzeugt werden.

Direkte Elektrifizierung

In manchen Bereichen, in der Ziegel- und Keramikherstellung etwa, könne man Prozesse elektrifizieren. Das Ziegelwerk Haiding der Firma Wienerberger in Oberösterreich sei beispielsweise ein Schnellbrandwerk, erzählt die Energieexpertin vom Umweltbundesamt. „Das bedeutet, dass hier nur eine Lage Ziegel durch Trockner und Ofen geht. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen, Gas beheizten, Ziegelwerk, da wären es fünf bis sieben Lagen Ziegel übereinander.“ Diese Einlagigkeit würde es ermöglichen, den Ofen auch mit Strom zu betreiben.

Wird von Gas auf Strom umgestellt, müssen Prozesse neu gedacht und aufgesetzt werden, sagt Schindler. Dafür brauche es Investitionen und auch Zeit. Zehn bis fünfzehn Jahre könne es dauern, neue Verfahren zu entwickeln. Zudem brauche es mehr erneuerbare Energien. 17 Windräder wären notwendig, um die Energie zu erzeugen, die man benötige, um ein Ziegelwerk elektrisch zu betreiben. „Mit der derzeitigen jährlichen Regelenergieaufbringung aus Wind im Burgenland könnten sie nur die Werke der Ziegelindustrie versorgen – angenommen sie werden umgebaut.“

Effizienzsteigerung und Planungssicherheit

In der Papier- und Zellstoffindustrie sowie im Lebensmittelbereich, wo Energie für Trocknungsprozesse benötigt wird, sei auch ein Umstieg auf Biomassekessel denkbar, sagt Schindler. Auch könne man die Energieeffizienz bei manchen industriellen Prozessen noch etwas verbessern. Große Effizienzsprünge seien jedoch nicht mehr zu erwarten.

Wichtig sei Planungssicherheit. Wie viel erneuerbarer Strom wird zukünftig verfügbar sein? Welche Industriebereiche werden ihn bekommen? Und wie werden sich die Energiepreise langfristig entwickeln? Die Antworten auf diese Fragen sind laut der Energieexpertin ausschlaggebend für Investitionsentscheidungen und damit indirekt für die Geschwindigkeit, mit der die Energiewende in der Industrie einsetzt.