Therapie, Psychoterapie
Pormezz – stock.adobe.com
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Studie

Psychotherapie hilft gut bei Magersucht

In der weltweit größten Therapiestudie zur Magersucht konnte nachgewiesen werden, dass ein Großteil der Betroffenen fünf Jahre nach einer Psychotherapie vollkommen oder teilweise beschwerdefrei waren. Jede Fünfte zeigte aber überhaupt keinen Therapieerfolg.

Die Ergebnisse der Studie für ambulant behandelte Magersuchtpatientinnen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Lancet Psychiatry“ veröffentlicht: Fünf Jahre nach Therapieende konnten 41 Prozent der Patientinnen als genesen eingestuft werden, weitere 41 Prozent zeigten teilweise Magersuchtsymptome, 18 Prozent litten immer noch am Vollbild der Erkrankung.

Magersucht – Anorexia nervosa – ist eine schwerwiegende psychosomatische Erkrankung, die insbesondere Frauen betrifft und tödlich verlaufen kann. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Aber auch ihre Angehörigen stehen unter einem großen Leidensdruck.

Frauen häufiger betroffen

Bereits 2014 entstand aus einer Kooperation zehn deutscher psychosomatischer Universitätskliniken unter der Leitung von Stephan Zipfel vom Universitätsklinikum Tübingen und Wolfgang Herzog vom Universitätsklinikum Heidelberg die weltweit größte Psychotherapiestudie für Magersuchtpatientinnen.

„Für Anorexia-nervosa-Patienten und -Patientinnen ist der Blick in den Spiegel eine regelrechte Tortur. Sie nehmen sich als übergewichtig wahr, obwohl ihr Body-Mass-Index bereits eine bedrohliche Form angenommen hat. Die Gewichtsreduktion wird durch eine chronisch geringe Nahrungsaufnahme erreicht. Frauen sind überproportional häufig von der Krankheit betroffen (Verhältnis Männer zu Frauen: eins zu zwölf)“, schrieben die Universitäten.

Drei verschiedene Behandlungsprogramme

Obwohl die Krankheit auf den ersten Blick rein äußerliche Merkmale aufweise, wie ein stark abgemagertes Erscheinungsbild, handle es sich in erster Linie um eine schwere psychosomatische Erkrankung. Deshalb heißt es in internationalen Behandlungsleitlinien, dass die Psychotherapie die Behandlung der Wahl für Erwachsene mit Magersucht sei. Je nach Schwere der Erkrankung und dem Gewicht der betroffenen Person kann auch ambulant behandelt werden.

In der Studie wurden drei innovative Behandlungsprogramme mit Kontrollgruppe und per Zufall zugeteilten Patientinnen verglichen. Die „fokale psychodynamische Therapie“ bearbeitet in Therapiesitzungen die ungünstige Gestaltung von Beziehungen sowie Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Emotionen. Die „kognitive Verhaltenstherapie“ zielt auf die Normalisierung des Essverhaltens und Gewichtssteigerung sowie auf die Bearbeitung mit der Essstörung verbundener Problembereiche, wie etwa Defizite bei sozialer Kompetenz. Die optimierten Behandlungen der „Richtlinienpsychotherapie“ wiederum orientieren sich an Methoden der Standard-Psychotherapie.

„Ungünstiger Verlauf“ bei jeder fünften Patientin

„Fünf Jahre nach Therapieende wiesen die Patientinnen im Mittel in allen drei Therapiegruppen deutliche Verbesserungen auf, z.B. eine Zunahme des Gewichts, weniger gestörtes Essverhalten, weniger psychische Symptome“, fasste Herzog die Ergebnisse zusammen. Ziel der fünf-Jahres-Nachbeobachtung der Studie war es, erstens die Langzeitergebnisse einer gut beschriebenen und recht homogenen Stichprobe erwachsener Patientinnen zu bewerten und zweitens zu untersuchen, ob die bei der Ein-Jahres-Nachbeobachtung festgestellten Behandlungsvorteile mehr als vier Jahre später fortbestehen würden.

Ursprünglich waren 242 Patientinnen mit diagnostizierter Magersucht per Zufallsauswahl den drei Therapiegruppen zugeteilt worden. „Ein guter Therapieverlauf wird begünstigt von einem höheren Ausgangsgewicht, einer kürzeren Krankheitsdauer und durch das Fehlen einer Depression bei Therapiebeginn“, so die Wissenschaftler. Da aber eine nicht zu unterschätzende Gruppe von Patientinnen einen ungünstigen Verlauf aufwies, fordert Zipfel weitere Verbesserungen von Diagnostik und Therapie: „Wir brauchen weitere und spezifischere Marker in der Frühphase der Erkrankung, um gezielter potenziell besonders gefährdete Patientinnen erfolgreich behandeln zu können.“