Heinz Faßmann, ÖAW
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Akademie der Wissenschaften

„Keine Schwierigkeiten mit Rollenwechsel“

Seit Freitag ist Heinz Faßmann der neu gewählte Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Seinen Wechsel vom Ministeramt an die Spitze der Akademie sieht der anerkannte Forscher als Vorteil, weil er die Welten Politik und Wissenschaft verstehen könne. Als nächster Schritt soll – zum ersten Mal seit 175 Jahren – ein zur Hälfte weiblich besetztes Präsidium gewählt werden.

Wissenschaftliche Politikberatung versteht Heinz Faßmann umfassender als Gesellschaftsberatung, hier könne die Akademie noch sichtbarer werden. Im ausführlichen Interview äußert er sich auch zu seiner umstrittenen Aussage, wonach sich die Wissenschaft „nicht überall einmischen“ müsse.

science.ORF.at: Im Vorfeld Ihrer Wahl hat es Kritik gegeben, dass ein Minister nach relativ kurzer Zeit an die Spitze der größten Wissenschaftsgesellschaft Österreichs wechselt. Wäre es besser gewesen, noch eine Periode zu warten, um mehr Abstand zur politischen Tätigkeit zu haben?

Heinz Faßmann: Ich finde es gut, wenn Personen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen Politiker werden, und auch, wenn Politiker nach einer bestimmten Zeit wieder in andere gesellschaftliche Bereiche eintauchen. Politiker sollen die Möglichkeit haben zu wechseln, ohne eine lange Phase der Karenz einzulegen.

Sie haben nach Ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt wieder als Wissenschaftler gearbeitet, mussten also keine Karenz einlegen. Jetzt handelt es sich um eine neue Funktion. Trotzdem haben Sie sich entschieden, sich dafür zu bewerben.

Ich habe an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften meine berufliche Karriere begonnen, war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Direktor des ÖAW-Instituts für Stadt- und Regionalforschung. Ich habe viele Stationen meiner Laufbahn auch in der Akademie verbracht. Und ich möchte ganz gerne auch am Ende eines beruflichen Lebens viel von den Erfahrungen dieser Institution zurückgeben.

Heinz Faßmann bei seiner Amtsübergabe an Nachfolger Martin Polaschek
APA/BMBWF/MARTIN LUSSER
Anfang Dezember hat Heinz Faßmann das Amt des Wissenschafts- und Bildungsministers an Nachfolger Martin Polaschek übergeben.

Aus dem Blickwinkel der Akademie: Besteht nicht die Gefahr, dass sie durch Ihre Wahl zum Präsidenten eine gewisse Parteinähe bekommt?

Ich sehe mich als Wissenschaftsmanager. Ich habe mich auch als Minister immer als parteifreier Minister gesehen, ich bin der Sache verpflichtet und werde auch so weiterhin agieren. Die Parteinähe sehe ich nicht.

Sie wurden bereits gewählt, die übrigen Mitglieder des Präsidiums müssen aber erst gewählt werden. Derzeit sind alle Mitglieder Männer, wie sehen da Ihre Pläne aus?

Die Akademie wird nach außen hin weiblicher werden. Im Präsidium soll es 50 Prozent weibliche Mitglieder geben. Die Wahl findet ja erst statt, deshalb möchte ich noch keine konkreten Namen nennen. Alle vorgeschlagenen Personen besitzen eine hohe Reputation, sodass ich zuversichtlich bin, dass sie auch gewählt werden. Ein Präsidium mit 50 Prozent weiblichen Mitgliedern hat es in der 175-jährigen Geschichte der Akademie noch nie gegeben.

Struktur der Akademie:

Die Akademie der Wissenschaften besteht aus zwei Teilen: Sie ist die größte Trägerin außeruniversitärer Grundlagenforschung in Österreich und managt 25 Institute mit 1.800 MitarbeiterInnen. Und sie ist eine Gelehrtengesellschaft mit rund 760 WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland.

In der Gelehrtengesellschaft liegt der Frauenanteil derzeit bei 21 Prozent. Wird es Initiativen geben, um diesen Anteil zu vergrößern?

Man muss da genau hinschauen: Der Anteil der weiblichen neugewählten Mitglieder war zuletzt 61 Prozent. Also die Akademie holt hier sehr stark auf.

Aber dabei handelt es sich ja immer nur um sehr wenige Personen, insgesamt dauert es bei dieser Geschwindigkeit noch sehr lange, bis Frauen die Hälfte der Gelehrtengesellschaft ausmachen…

Ja, das dauert noch ein wenig, aber wir sind hier auf dem richtigen Weg.

Wie sieht es mit inhaltlichen Schwerpunkten oder Veränderungen aus? Planen Sie neue Institute?

Ich habe Rahmenbedingungen definiert, die ich für zentral halte: die Expansion der Grundlagenforschung, die Hinwendung zu Europa und zum europäischen Forschungsraum und das Exzellenz-Prinzip. Die Themen selbst müssen aus der Community entstehen und dann geprüft und diskutiert werden, bevor man an die Realisierung in Form von Instituten denken kann.

Wollen Sie an der Doppelstruktur der Akademie als Gelehrtengesellschaft und Wissenschaftsmanagerin festhalten? Hier gab es zuletzt Stimmen, die – analog zur deutschen Leopoldina oder britischen Royal Society – für eine Trennung dieser Bereiche plädiert haben.

In den letzten zehn Jahren hat es eine Trennung dieser beiden unterschiedlichen Funktionsbereiche gegeben. Die Entscheidungen über Forschungsaufträge fallen im Präsidium und nicht in der Gelehrtengesellschaft. Aber die Gelehrtengesellschaft kann zu Rate gezogen werden, wenn es um wissenschaftliche Fragen gibt. Auch in Europa gibt es unterschiedliche Modelle, zum Beispiel hat die Niederländische Akademie der Wissenschaften die gleiche Doppelrolle wie wir in Österreich. Hier würde ich nicht ein uniformes Modell über alle Akademie legen wollen.

Die Politikberatung durch die Akademie war für den jetzigen Präsidenten Anton Zeilinger ein wichtiges Thema. Er hat versucht, auch die Zusammenarbeit mit dem Parlament zu verstärken. Wird es da neue Initiativen geben?

Die Zusammenarbeit mit dem Parlament und den Wissenschaftssprechern der Parteien halte ich für sehr wichtig. Aber: Die Akademie ist unabhängig und soll das auch bleiben. Sie soll sich der Themen annehmen, wo sie Kompetenz besitzt, und dann die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung öffentlich darstellen. Das macht sie bisher und das kann man ohne Weiteres noch verstärken.

Als Minister haben Sie einmal gesagt, dass sich die Wissenschaft nicht überall einmischen müsse und die Politik ihre Gestaltungsfreiheit habe. Wo sehen Sie die Rolle der Wissenschaft in diesem Prozess hin zu einer evidenzbasierten Politik?

Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt, gar keine Frage. Gemeint war, dass irgendwann die Politik Entscheidungen treffen und auch dem Wähler gegenüber Verantwortung übernehmen muss. Das kann die Politik nicht an die Wissenschaft abgeben. Der Soziologe Max Weber hat klug vorgezeichnet, dass kein Rollentausch stattfinden soll. Nicht der Wissenschaftler soll Politiker sein und der Politiker soll sich nicht anmaßen, auch Wissenschaftler zu sein. Dahingehend gibt es eine Rollenteilung und die halte ich für sehr vernünftig.

Und Sie für sich haben diese Rollenteilung auch vollzogen, vom Politiker hin wieder zum Wissenschaftler.

Das geht, und ich habe keine Schwierigkeiten damit, in die Rolle des Wissenschaftlers, aber auch des Wissenschaftsmanagers zurückzugehen. Ich sehe das durchaus als einen interessanten Wechsel und kann wahrscheinlich viel dazu beitragen, dass sich diese beiden Welten, Politik und Wissenschaft, besser verstehen.