Quantensensor, Uni Innsbruck
Uni Innsbruck/Harald Ritsch
Uni Innsbruck/Harald Ritsch
Quantenphysik

Atomuhren werden noch genauer

Durch ein neues Konzept von Innsbrucker Physikern können Quantensensoren so genau wie nie zuvor programmiert werden. Sogar einige der besten Messgeräte – Atomuhren etwa – sollen so noch verbessert werden. Ziel ist Präzision, die dicht an die durch die Naturgesetze vorgegebenen Grenzen heranreicht.

Wie genau Zeit gemessen werden kann und die Suche nach einer „perfekten Uhr“ beschäftigt die Wissenschaft schon geraume Zeit. Atomuhren gelten aktuell als die präzisesten Zeitmesser. Sie sind so gleichzeitig auch unter den besten Sensoren, die je gebaut wurden. Man findet sie in staatlichen Eichämtern genauso wie in den Satelliten von Navigationssystemen.

Dennoch hat die Genauigkeit moderner Sensoren bestimmte Grenzen – abhängig davon, ob sie mit Ressourcen arbeiten, die der klassischen Physik oder der Quantenphysik folgen. Forschungsgruppen um die Innsbrucker Theoretiker Peter Zoller und Thomas Monz haben nun ein quantenphysikalisches Phänomen dazu genutzt, um Sensoren noch präziser zu machen. Die Physiker stellen die – laut eigenen Angaben – ersten programmierbaren Quantensensoren aktuell im Fachjournal „Nature“ vor.

Für optimale Nutzung bestehender Sensoren

Die programmierbaren Quantensensoren seien aber kein tatsächlich greifbares Produkt, erklärt Christian Marciniak vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck gegenüber science.ORF.at. Stattdessen sollen mit dem Konzept des Forscherteams bereits existierende Sensoren verbessert werden, abhängig von den Ressourcen, mit denen gearbeitet wird und den bestehenden Kontrollmöglichkeiten. Die anfängliche Fragestellung des Forscherteams: „Wie kann ich diese Ressourcen bestmöglich einsetzen und wie kann ich den Sensor, den ich bereits habe, optimal nutzen?“

Verschränkte Teilchen verbessern Präzision

Die Physiker machten sich das quantenphysikalische Phänomen der Quantenverschränkung zunutze. Zwei Teilchen – etwa Photonen oder im Fall von Atomuhren eben Atome – bleiben dabei wie durch Geisterhand miteinander verbunden. Die Messung an einem Teilchen legt unmittelbar den Zustand des anderen fest, auch wenn sie beliebig weit voneinander entfernt sind.

Das führt dazu, dass Sensoren mehr Informationen über die Frequenz bekommen können, mit der Atome bei einer Änderung ihres Energiezustandes elektromagnetische Wellen aussenden. Damit Atomuhren funktionieren, müssen diese Änderungen des Energiezustandes auf irgendeine Weise angetrieben werden. Egal ob durch Laser oder Mikrowellen, besonders wichtig sei dabei, dass sie immer mit einer exakt auf die jeweilige Atomsorte abgestimmten Frequenz strahlen. Weicht die antreibende Frequenz vom Ideal ab, muss sie entsprechend angepasst werden. In ihrem Konzept verschränken die Physiker die Atome miteinander, was dazu führt, dass sie pro Messung mehr Information darüber bekommen, in welche Richtung sie die Frequenz anpassen müssen.

Von der Theorie in die Praxis

Dass Sensoren durch quantenphysikalische Verschränkungen noch präziser werden könnten, ist dabei grundsätzlich keine Neuigkeit, so Marciniak: „Schon vor mehreren Jahrzehnten hat man erkannt, dass man Verschränkungen dazu nutzen könnte, Metrologie, also die Wissenschaft des Messens, zu verbessern.“ Bisher habe es jedoch an den dafür nötigen Methoden gefehlt, um tatsächlich robuste Verschränkungen realisieren zu können.

Da die Innsbrucker Physikerinnen und Physiker bereits viel Erfahrung mit der Entwicklung von Quantencomputern gesammelt haben, ist ihnen aber genau das gelungen – zumindest in der Theorie. Mithilfe von variablen Quantenalgorithmen und bestimmten Prozessen des maschinellen Lernens sollen die Sensoren außerdem selbständig die besten Einstellungen für ein optimales Ergebnis finden.

Dass das Konzept auch in der Praxis funktioniert, haben die Innsbrucker Forscher experimentell bereits aufgezeigt. Sie haben Frequenzmessungen auf einem Ionenfallen-Quantencomputer durchgeführt und ihn so programmiert, dass er als hochpräziser Sensor seine optimalen Einstellungen selbstständig findet. Weitere Berechnungen mit einem Supercomputer der Universität Innsbruck haben ergeben, dass die Messergebnisse überraschend gut mit den in der Theorie vorhergesagten Werten übereinstimmten.

„Wir beantworten damit die Frage, wie präzise ein Sensor mit den vorhandenen Kontrollmöglichkeiten sein kann und liefern ein Rezept, wie dies erreicht werden kann“, erklären auch die am Projekt beteiligten Physiker Denis Vasilyev und Raphael Kaubrügger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck.

Atomuhr fehlt für weitere Tests

Ein besonders positiver Aspekt des Konzepts sei, dass sich die Methode auf Sensoren jeglicher Art übertragen lasse, egal ob eine Atomuhr oder etwa ein Sensor zur Messung von Magnetfeldern. Als nächsten Schritt möchten die Forscher aber die Verbesserung der Zeitmessung weiter verfolgen. „Wir haben zwar das Konzept, aber leider keine Atomuhr“, so Marciniak. Die Physikerinnen und Physiker seien daher mit mehreren Institutionen in Kontakt, die über einen derartigen Sensor verfügen.

Die Rückmeldungen seien bis jetzt zwar durchwegs positiv, bis das quantenphysikalische Konzept aber tatsächlich bestehende Atomuhren verbessert, könne es noch dauern. Marciniak: „Vom Nachweis im Labor bis zum Einsatz in der Praxis vergehen oft mehrere Jahre.“ Das Konzept des Innsbrucker Forschungsteams sei aber eine gute Grundlage für künftige Quantensensoren, deren Präzision laut dem Physiker wahrscheinlich immer dichter an die durch die Naturgesetze vorgegebenen Grenzen heranreichen wird.