Porträtfoto von Oswald Menghin
Archiv der Universität Wien
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Südamerika

Die zweite Karriere der NS-Täter

Viele NS-Verbrecher sind nach 1945 nach Südamerika geflohen. Wie sie dort eine zweite Karriere machten, zeigt eine Tagung ab heute in Wien. Ein Beispiel ist Oswald Menghin: Als Unterrichtsminister sorgte er 1938 für den Ausschluss jüdischer Studenten von den Unis – und galt nach dem Krieg in Argentinien wieder als renommierter Prähistoriker.

Wer einmal auf der Kriegsverbrecherliste stand, dessen wissenschaftliche oder berufliche Karriere war nicht zwangsläufig vorbei, das beweisen zahlreiche ehemalige Nationalsozialisten, die sich nach dem Krieg unter anderem in Südamerika völlig unbehelligt ein schönes Leben machten.

Ihre Flucht und die neue Karriere schafften sie aber nicht allein, sondern mit einem Netzwerk von Unterstützern in Europa und in autoritären Staaten Südamerikas. Auch Oswald Menghin, nach dem „Anschluss“ im März 1938 österreichischer Unterrichtsminister, ist hierfür ein Beispiel.

Unterrichtsminister nach dem Anschluss Österreichs

Oswald Menghin war studierter Prähistoriker und während des Austrofaschismus Rektor der Universität Wien. Als Vertreter der sogenannten Katholischen Nationalen war er davon überzeugt, dass Katholizismus und Nationalsozialismus miteinander vereinbar seien. „Aus dieser vermittelnden Rolle, die er auch während des Austrofaschismus zum Nationalsozialismus hatte, ist er dann im März 1938 zum österreichischen Unterrichtsminister aufgestiegen,“ so der Historiker Robert Obermair von der Universität Salzburg.

Tagung

Von 31.3. bis 1.4. findet am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) der Workshop „Nazis and Nazi Sympathizers in South America after 1945“ statt, in dessen Rahmen Robert Obermair einen Vortrag hält.

Zwar war Oswald Menghin nur wenige Wochen Unterrichtsmister im Kabinett Seyß-Inquart, dennoch stellte er die Weichen für den Ausschluss etwa von Jüdinnen und Juden oder politisch andersdenkenden Personen, erklärt Obermair: „Als Unterrichtsminister hatte er eine ganz starke Mitverantwortung in den sogenannten Säuberungsprozessen an Universitäten und Hochschulen, aber auch im Schulbereich und in kulturellen Einrichtungen, wo politisch und in Hitlers Denken ‚rassisch‘ unerwünschte Menschen von all diesen Einrichtungen entfernt wurden."

Menghin als Kriegsverbrecher

1945 wurde Oswald Menghin deshalb von der österreichischen Regierung als Kriegsverbrecher eingestuft. Verhaftet wurde er zunächst aber von den US-Amerikanern, die ihn in Deutschland für zwei Jahre inhaftierten, weil er als ehemaliger Minister auch in deren „arrest category“ fiel.

Nach seiner Entlassung 1947 gelang es ihm, vor den Österreichern unterzutauchen und nach Argentinien zu fliehen. „Der Grund war, dass die Kommunikation zwischen den Amerikanern und den österreichischen Ermittlungsbehörden sehr schlecht verlaufen ist“, so Robert Obermair. So wurden die österreichischen Behörden nicht über Oswald Menghins Entlassung informiert.

Flucht nach Argentinien

Menghin versteckte sich zunächst in Deutschland und aktivierte dann alte Kontakte aus der Wissenschaft und aus der katholischen Kirche, die ihn bei der Flucht nach Argentinien unterstützten. „Es gibt beispielsweise einen direkten Kontakt über seine Ehefrau zum damaligen Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher, der bereits 1947 auch katholische Geistliche in Südamerika kontaktiert, um hier für Oswald quasi die Rutsche zu legen“, so Obermair. Auch bei der Fluchtroute durch Italien spielte die katholische Kirche eine tragende Rolle.

Neues, altes Leben in Argentinien

In Argentinien konnte Oswald Menghin auch auf wissenschaftliche Netzwerke zurückgreifen und hatte innerhalb weniger Tage eine neue Stelle in einem ethnographischen Museum, ab 1948 war er auch Professor an der Universität von Buenos Aires. In Österreich wusste man bald, wo sich der Gesuchte befindet, doch es stieß sich kaum jemand daran, so Robert Obermair.

Oswald Menghin nahm Kontakte auf zu Wissenschaftlern im faschistischen Spanien, aber auch zu Kollegen in Deutschland und Österreich. „Er knüpft zum Beispiel sehr bald wieder seine alte Korrespondenz zu Richard Meister an, einem alten Kollegen und Freund, der vor allem in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in der Nachkriegszeit eine ganz zentrale Rolle spielen sollte und der ihn auch ganz stark unterstützt in den Folgejahren“, so Robert Obermair.

Bestens vernetzt

In Südamerika wurde er in höchste politische Kreise eingeführt. So vermittelte ihm ein spanischer Kollege den Kontakt zu Evita Perón, der Frau des damaligen argentinischen Präsidenten Juan Perón. Aber auch im wissenschaftlichen Bereich in Südamerika war er bald bestens vernetzt. „Vor allem auch in einem Milieu, das wiederum eine Brücke zu schlagen versucht zwischen einem Nationalismus einerseits und einem Katholizismus. Da sind sehr viele Parallelen auch zu Europa zu sehen“, so Obermair.

Und er fügt hinzu: „Ähnlich wie die Säuberungswelle, die 1938 unter der Ägide von Menghin sich durch die Hochschulen durchzieht, gibt es solche Prozesse auch in Argentinien 1946 und 1947 an den Universitäten und Hochschulen. Viele linke kritische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen müssen gehen, sie machen Platz für Menschen wie Menghin.“ Dieser habe schnell Karriere gemacht und einen großen Einfluss in seinem Wissenschaftsgebiet in Argentinien gehabt.

Österreichische Pension

Menghins österreichische Freunde wie etwa Richard Meister setzten sich dafür ein, dass Menghin wieder einen österreichischen Pass bekam, dass man die Fahndung nach ihm einstellte und dass er sogar eine österreichische Pension ausgezahlt bekam, in der seine Zeit als Unterrichtsminister miteinberechnet wurde.

Oswald Menghin wurde 1959 wieder als Mitglied in die Österreichischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Die Republik Österreich stellte das Verfahren gegen ihn 1956 ein.