Wolkenformation Morning Glory aus dem Flugzeug fotografiert
„Morning Glory“

Wolkenwalze mathematisch beschrieben

Bis zu hundert Kilometer lang und ein Durchmesser von nur ein bis zwei Kilometer: So sieht die spektakuläre Wolkenformation „Morning Glory“ aus, die vor allem in Australien vorkommt. Forscher haben die Wolkenwalze nun mathematisch genau beschrieben.

Die „Morning Glory“-Wolken sind vor allem im australischen Golf von Carpentaria am frühen Morgen im September und Oktober zu sehen, schreiben Adrian Constantin vom Institut für Mathematik der Universität Wien und Robin Stanley Johnson von der Newcastle University im Fachjournal „Proceedings A“ der Royal Society. Die riesige, flache Meeresbucht geht im Norden in die Arafurasee über, der Meerenge zwischen Australien und Neuguinea, im Osten ist sie von der großen Kap-York-Halbinsel begrenzt. Die ganz besondere thermische Struktur der unteren Atmosphäre über dem Land und dem Meer führt zu dieser speziellen Wolkenformation.

Lädt zum „Wolkensurfen“ ein

Oft handelt es sich um eine einzelne lang gestreckte Wolke, an deren Front starke Aufwinde aufsteigen und an deren Hinterseite die Luft absinkt. So wirkt es, als ob die mit einer Geschwindigkeit von zehn bis 20 Metern pro Sekunde dahinziehende Wolkenwalze rotieren würden. Die speziellen Windbedingungen machen die „Morning Glory“ bei Segel- und Drachenfliegern beliebt, die sie zum „Wolkensurfen“ nutzen. Manchmal treten auch mehrere solcher Wolkenrollen in geringem Abstand parallel hintereinander auf.

„Ich finde diese Wolkenformation sehr schön – eigentlich faszinierend“, erklärte Adrian Constantin. Der Mathematiker, der 2020 mit dem Wittgensteinpreis den höchstdotierten österreichischen Wissenschaftsförderpreis erhalten hat und immer wieder in der Liste der meistzitierten Forscher der Welt aufscheint, widmet sich in seiner Arbeit schwerpunktmäßig der Mathematik der Wellenausbreitung und der Erklärung von Wellenphänomenen – und ein solches ist auch die „Morning Glory“.

Luftwellen anders als Wasserwellen

Die bisherigen Untersuchungen der Wolkenformation würden auf Analogien mit der Theorie von Wasserwellen beruhen, betonte Constantin. „Doch das Verhalten von Luft und Wasser weist viele Unterschiede auf, etwa was den Einfluss von Temperatur und die raschen Dichte- und Druckänderungen betrifft“, sagte der Mathematiker. Aus diesem Grund hat der Mathematiker mit seinem britischen Kollegen mit einem sogenannten „asymptotischen Verfahren“ eine nichtlineare Wellengleichung für die „Morning Glory“ aus den Regelgleichungen für atmosphärische Strömungen abgeleitet.

Auch wenn das Phänomen der „Morning Glory“ auf einer komplizierten Abfolge von Prozessen fußt, können die Forscher nun mathematisch die Temperatur- und Druckbedingungen sowie die Wärmequellen beschreiben, die zum Antrieb und zur Aufrechterhaltung der Wolkenbewegung erforderlich sind. Für Constantin ist es dennoch erst „ein erster Schritt, es bleibt noch viel zu tun, denn die Dynamik der Wolkenformation ist kompliziert“.

Er ist überzeugt, dass auch viele andere Wetterphänomene gibt, „bei denen eine genauere mathematische Untersuchung viel über die Art der dabei auftretenden Wechselwirkungen klären könnte“. Probleme dieser Art seien aber typischerweise sehr anspruchsvoll – besonders da oft ein nichtlineares Verhalten stattfindet, also die Wirkungen nicht proportionell zu den Ursachen sind.