Ein Rapsfeld in Niederösterreich
APA/HELMUT FOHRINGER
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Landwirtschaft

Mehr Ertrag durch neue Gentechnik?

Die Klimakrise und globale Handelskrisen zeigen: Für Ernährungssicherheit braucht es in Europa Veränderungen in der Landwirtschaft. Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten mehr Ertrag bringen. Die EU will in den kommenden Wochen über neue Gentechnikregulierungen diskutieren – Umweltorganisationen kritisieren das.

Der Krieg in der Ukraine hat schwerwiegende Auswirkungen auf den internationalen Handel, auch im Agrarbereich. Fast 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte stammten bisher aus der Ukraine und Russland. Auch bei Gerste, Mais und Sonnenblumenöl sind die Anteile dieser Länder am Weltmarkt hoch. Vor diesem Hintergrund und wegen der immer offensichtlicheren Auswirkungen der Klimakrise wird jetzt verstärkt über Ernährungssicherheit in Europa diskutiert.

Mehr Ertrag durch Gentechnik?

Mehr Ertrag auf kleineren Flächen ist eines der agrarökonomischen Ziele, die diskutiert werden. Das könnte mit gentechnisch veränderten, ertragreicheren und widerstandsfähigeren Sorten erreicht werden. Solche Vorschläge kritisieren wiederum Umweltorganisationen wie Global 2000 und IG Saatgut. Die Forschung sei von solchen „klimafitten“ Nutzpflanzen noch weit entfernt, die Gentechnikregulierungen der Europäischen Union könnten mit solchen Argumenten im Interesse der Industrie aufgeweicht werden.

In den USA, Kanada und Japan werden sie bereits angepflanzt: Raps, Soja und Tomaten, deren Erbgut mit Hilfe neuer Gentechnikverfahren verändert wurde. Zu diesen Methoden des Genome Editings gehört auch die Genschere CRISPR/Cas. Damit kann das Genmaterial von Pflanzen ohne das Einfügen fremden Erbguts schnell und präzise verändert werden – Gemüse kann so nährstoffreicher werden oder Getreide widerstandsfähiger gegen Herbizide.

Kritik: Forschung zu einseitig

In der EU fallen solche genetisch veränderten Organismen unter die strenge Gentechnik-Gesetzgebung. Doch das könnte sich bald ändern. In den nächsten Wochen wird die EU-Kommission einen öffentlichen Konsultationsprozess einleiten, in dem ein neuer Rechtsrahmen diskutiert werden soll. Ein oft genanntes Argument für eine Lockerung sind sogenannte klimafitte Nutzpflanzen, also Getreide- oder Gemüsesorten, die trockenresistenter sind als vorhandene Züchtungen, Hitze besser vertragen oder in versalzenen Böden überleben.

Doch gerade in diesem Bereich hinke die Forschung hinterher, kritisiert Brigitte Reisenberger von Global 2000: „Es gibt noch keine einzige dieser Pflanzen in einem Zulassungsverfahren, noch keine irgendwo am Feld, aber sie sind die große Merkmalsgruppe, die vorangestellt wird, um diese Deregulierungsvorstöße bei der neuen Gentechnik weiter voranzutreiben.“

Wenig Transparenz bei Entwicklung

Bis jetzt würde vermehrt an Sorten gearbeitet, die krankheitsresistent sind, weniger bräunen bei Transportschäden, Unkrautvernichter besser vertragen oder vorteilhafte Nährstoffeigenschaften haben. Einen genauen Überblick zum Forschungsstand habe man allerdings nicht, sagt Eva Gelinsky von IG Saatgut. Denn die großen Unternehmen würden ihre Projekte nicht öffentlich machen.

Davon erfahre man meist erst im Zulassungsverfahren, wie im Fall einer gentechnisch veränderten Maissorte, die herbizidresistent ist und ein Insektengift produziert, so Gelinsky: „Auf der Webseite von diesem Unternehmen findet man in den Geschäftsberichten keine weiteren Informationen zu diesem Mais. Insofern ist völlig unklar, woran die großen Agrarkonzerne arbeiten.“

Wissenschaft würde Lockerungen begrüßen

Vonseiten der Forschung würden rechtliche Lockerungen allerdings vielfach begrüßt: Eben weil die Gesetzgebung so streng sei, fehle es an Geldern für die Entwicklung „klimafitter“ Nutzpflanzen. Eine agrarökonomische Studie der Universität Bonn, die in der Fachzeitschrift „Trends in Plant Science“ erschien, kam vor kurzem zu dem Schluss, dass mit Hilfe von Gentechnik in Europa eine Ertragssteigerung von sieben bis zehn Prozent erreicht werden könnte und eine Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen der EU-Landwirtschaft von mehr als sieben Prozent.

Global 2000 und IG Saatgut fordern dagegen eine Beibehaltung der gesetzlichen Regulierung auch bei der neuen Gentechnik. Es gelte, das Vorsorgeprinzip zu erhalten. Gleichzeitig solle die unabhängige wissenschaftliche Forschung zu gentechnisch veränderten Nutzpflanzen und eine biologische Lebensmittelproduktion ausgebaut werden. Sollten gentechnisch veränderte Lebensmittel auf den Markt kommen, fordern die beiden Organisationen eine strenge Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten.