Eingefärbter, gleichmäßiger Herzschlag
jeremyculpdesign – stock.adobe.com
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Gesundheit

Modell zeigt Risiko für Herzprobleme

Mit einem proteinbasierten Modell soll genauer denn je vorhergesagt werden, ob jemand ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall oder Herzstillstand hat. Besonders nützlich könnte das Modell für die Entwicklung neuer Medikamente sein – und auch die personalisierte Medizin soll damit vorangetrieben werden.

„Wie wahrscheinlich es ist, dass junge und eigentlich gesunde Personen im Laufe ihres Lebens Herzkrankheiten entwickeln, kann mit einigen Modellen schon seit Längerem recht gut prognostiziert werden“, so der Mediziner Stephen A. Williams von der US-amerikanischen Firma SomaLogic. Dabei gebe es mehrere Faktoren, die in diese Modelle einfließen: „Alter, Geschlecht, individuelle Krankheitsgeschichte und auch Dinge wie der Blutdruck oder der Cholesterolwert spielen eine Rolle.“

Eine Gruppe sei in den Prognosemodellen bisher aber kaum berücksichtigt worden, so der Mediziner gegenüber science.ORF.at: „Bei allen, die in der Vergangenheit schon einen Schlaganfall hatten oder die an anderen Herzkrankheiten leiden und dagegen gerade Medikamente einnehmen, funktionieren die bisherigen Modelle nicht so gut.“

In ihnen werden laut Williams die Veränderungen im Körper, die etwa durch die Medikamente oder das kardiovaskuläre Event selbst ausgelöst werden, nicht berücksichtigt. Auch seien Prognosen bei Menschen, die aufgrund von Risikofaktoren wie Diabetes und hohem Alter generell anfälliger für Herzprobleme sind, mit den gängigen Modellen oft ungenau.

Große Menge an Daten notwendig

Laut Williams ist das ein Problem, denn vor allem von Personen, die bereits Medikamente gegen bestimmte Herzprobleme einnehmen, seien genauere Daten für die Forschung interessant. „Wenn jemand gerade in Behandlung ist, möchten wir natürlich wissen, wie gut die Behandlung wirkt und wie groß das Risiko ist, dass es in den kommenden Jahren zu weiteren Problemen kommt.“

Mit einem internationalen Team hat Williams daher an einem neuen Prognosemodell gearbeitet, das im Fachjournal „Science Translational Medicine“ vorgestellt wurde. Dazu nutzte der Mediziner eine große Menge an Daten und analysierte mit dem Team rund 5.000 Proteine in einzelnen Plasmaproben von mehr als 22.000 Personen, die an verschiedenen Studien teilgenommen haben und von denen manche in der Vergangenheit bereits Herzprobleme hatten – andere waren hingegen vollkommen gesund.

Mit maschinellem Lernen und der Expertise der Wissenschaftler konnten sie 27 Proteine identifizieren, die laut Williams mit einem erhöhten Risiko zusammenhängen, in den nächsten vier Jahren einen Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzstillstand oder Tod durch Herzprobleme zu erleiden.

Risikoeinschätzung von vielen Faktoren abhängig

Das Team wollte anschließend herausfinden, wie genau das 27-Proteine-Modell ist. Bei der Überprüfung der Daten an rund der Hälfte aller untersuchten Individuen stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass das neue Modell ein kardiovaskuläres Event fast doppelt so genau prognostizieren konnte wie bisher gängige Methoden.

„Wir können mit dem Modell gut einschätzen, wie groß das Risiko eines solchen Events für einzelne Personen in den kommenden vier Jahren ist. Es gibt hier immer noch Raum nach oben. Mit weiteren Daten kann das Modell noch präziser werden.“ Außerdem könne eine Prognose für ein kardiovaskuläres Event generell nie komplett genau sein.

„Wir können nicht abschätzen, wie sich eine Person in Zukunft verhält – ob sie ihre Medikamente regelmäßig einnimmt, ob sie beschließt, ihre Behandlung zu beenden und so weiter. All diese Dinge spielen eine Rolle, wenn es um die Risikoeinschätzung für Herzprobleme geht.“ Trotzdem sei das Modell ein erster Anhaltspunkt, der aufzeigen kann, wie dringend eine Anpassung der Behandlung bei bestimmten Patientinnen und Patienten nötig wäre.

Fortschritte in der personalisierten Medizin

Das Modell bringe auch Bewegung in den Bereich der personalisierten Medizin, so Williams. Anhand der Proteine im Blut zu wissen, ob jemand eine Anpassung der Herzmedikamente benötigt, und dann auch überprüfen zu können, ob die Änderung wirkt, sei in diesem Bereich unabdingbar und mit dem 27-Proteine-Modell machbar.

Das Modell des internationalen Forscherteams könne auch die Entwicklung neuer Herzmedikamente vorantreiben: „Die Zulassung von Medikamenten wird durch Testverfahren am Ende des Prozesses meist sehr lange aufgehalten – mit unserem Modell könnten die klinischen Studien aber beschleunigt werden, weil wir schneller erkennen können, ob ein Medikament wirkt oder nicht.“

Ein Fortschritt, der schon lange überfällig ist – laut Williams werden einige Medikamente noch gleich getestet wie vor 20 Jahren. Mit dem 27-Proteine-Modell und anderen Modellen, die künftig auf den Erkenntnissen des Forscherteams beruhen könnten, solle sich das ändern.