Die verschiedenen Eifärbungen der Kuckuckswitwe
Claire N. Spottiswoode
Claire N. Spottiswoode
Eiermimikry

Wenn der Wirt den Kuckuck austrickst

Damit ihr Nachwuchs nicht verstoßen wird, legen Kuckucksvögel täuschend ähnliche Eier in fremde Nester. Im Lauf der Evolution wehren sich die Wirtsvögel und legen immer buntere Eier, die schwerer zu imitieren sind – die Kuckucksstrategie kommt so laut einer neuen Studie an ihre Grenzen.

Brutpflege ist anstrengend. Manche Vögel sparen sich die Mühe, indem sie ihren Nachwuchs anderen unterjubeln, bekanntestes Beispiel dafür ist der Kuckuck. In einem unbemerkten Moment legt er seine Eier in fremde Nester. Das frisch geschlüpfte Jungtier verdrängt die restliche Brut und bekommt die komplette Aufmerksamkeit der Zieheltern. Manche Brutparasiten lassen immerhin einzelne Stiefgeschwister überleben. In beiden Fällen zieht das Wirtstier den Kürzeren, erkennbar fremde Eier werden daher kurzerhand aus dem Nest geworfen.

Kuckuckswitwenjunges mit zwei Jungen des Wirtsvogels (Zistensänger). Meist fordert der Parasit die ganze Aufmerksamkeit, die Konkurrenz verhungert.
Claire N. Spottiswoode
Kuckuckswitwenjunges und zwei Junge des Wirtsvogels (Zistensänger). Meist fordert der Parasit die ganze Aufmerksamkeit, die Konkurrenz verhungert.

Damit der Schwindel nicht auffliegt, haben Kuckucksvögel allerdings erstaunliche Anpassungsstrategien entwickelt, unter anderem bei der Farbe und Musterung der Eier. Je nach Wirtstier kann ein Kuckuck also etwa gelbe, grüne oder blaue Eier legen. Diese perfekte Eiermimikry entstand, indem sich die fliegenden Parasiten im Lauf der Zeit auf bestimmten Wirtsvögel spezialisieren.

Mütterliches Erbe

Wie aber wird sichergestellt, dass diese Spezialisierung nicht von Generation zu Generation verloren geht? Wie die Forscherinnen und Forscher um Claire Spottiswoode von der University of Cambridge in ihrer soeben im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie schreiben, könnte dahinter eine rein weibliche Vererbungsstrategie der Kuckuckstiere stecken. D.h., nur die Mütter vererben die spezifische Mimikry. Dann spiele es keine Rolle, wenn sich ein Weibchen mit einem Männchen paart, das auf ein anderes Wirtstier spezialisiert ist. Zu der fast hundert Jahre alten Hypothese, die auf den britischen Genetiker Reginald Punnett zurückgeht, gibt es aber bis heute keine ganz eindeutigen Belege.

Evolutionärer Wettlauf

Im Rahmen der aktuellen Arbeit haben Spottiswoode und Co. nun genetisch analysiert, wie ein in den afrikanischen Tropen lebender parasitärer Vogel seine Täuschungsfähigkeiten an seine Nachfahren vererbt. Die Kuckuckswitwe legt ihre Eier in die Nester verschiedener Singvogelarten in ganz Afrika.

Nicht nur bei den Eiern der Parasiten, sondern auch bei jenen ihrer Wirtstiere habe sich eine erstaunliche Vielfalt entwickelt, was die Fälschung erschwert. So lege beispielsweise die Rahmbrustprinie Eier in Blau, Weiß, Rot oder Olivgrün, mit oder ohne Maserung. Das Ganze sei eine Art koevolutionärer Wettlauf, heißt es in der Studie.

Rahmbrustprinie auf der Hand eines Forschungsassistenten
Claire N. Spottiswoode
Rahmbrustprinie

Das Team sammelte DNA-Proben von 196 Kuckuckswitwen aus 141 Nestern von vier Singvogelarten. Die Analysen bestätigten, dass die Eierfärbung bei der Kuckuckswitwe tatsächlich nur über die Weibchen vererbt wird. Die zwei matrilinearen Hauptlinien haben sich laut den Forscherinnen und Forschern schon vor mehr als zwei Millionen Jahren gebildet. Im Lauf der Zeit haben sich in jedem Zweig immer weitere Spezialisierungen entwickelt.

Zweischneidiges Schwert

Heute können die Parasiten nicht nur eine Eierfarbe pro Wirtsvogelart imitieren, sondern sogar die unterschiedliche Färbung einzelner Individuen, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Je nach Vererbungslinien legen etwa manche Kuckuckswitwen blaue und weiße Eier, andere rote und weiße Eier ins Nest einer Rahmbrustprinie. Die olivgrüne Variante hingegen ist nicht in ihrem Repertoire. Die Anlage für die entsprechende Pigmentierung fehlt dem Parasiten vermutlich völlig.

Laut Spottiswoode und ihren Kollegen zeige das die Grenzen der rein mütterlichen Vererbung. „In diesem koevolutionären Wettrüsten hat die natürliche Selektion ein zweischneidiges Schwert erschaffen“, so Spottiswoode in einer Aussendung zur Studie. Einerseits können sich die Kuckuckswitwen durch die rein matrilineare Vererbung an unterschiedliche Wirtsvögel anpassen. Andererseits verhindere dieselbe, Fälschungstricks aus verschiedenen Familienlinien zu kombinieren. „Dadurch verlieren die Kuckuckswitwen eine wertvolle Quelle evolutionärer Erneuerung“, erklärt Spottiswoode. Die Rahmbrustprinien auf der anderen Seite nutzen genau diese Möglichkeit der Rekombination, da bei den Singvögel Merkmale wie die Eierfarbe von beiden Geschlechtern vererbt wird. So wurde ihre Abwehr zunehmend effizienter – d.h., die Eier immer fälschungssicherer.

Schon in einer früheren Arbeit konnten die Forscherinnen und Forscher feststellen, dass die Rahmbrustprinien tatsächlich immer häufiger olivgrüne Eier legen, vermutlich eine Art beschleunigte evolutionäre Gegenwehr. Womöglich muss der Parasit langfristig sogar sein Verhalten ändern, wie Spottiswoode ausführt: „Eine fälschungssichere Eierfärbung könnte die Kuckuckswitwe zwingen, sich andere ahnungslose Wirtsvögel zu suchen oder auf unerfahrene Jungtiere zu setzen.“