Pestbakterium
dpa/Robert-Koch-Institut
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Evolution

Wie sich der Pesterreger entwickelt hat

Die Pest hat im Mittelalter Millionen Menschen das Leben gekostet. Den Pesterreger gibt es viel länger, vor über 5.000 Jahren war er noch relativ harmlos. Eine neue Studie zeigt, dass es in prähistorischen Zeiten verschiedene Gruppen des Bakteriums gab. Nicht alle Varianten konnten Flöhe – heute die wichtigsten Wirte – infizieren.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten 252 Überreste von Menschen, die vor 5.000 bis 2.000 Jahren lebten und in 15 archäologischen Stätten von Zentralasien bis Westeuropa gefunden wurden. Dieser Zeitraum markiert den Übergang von der Jungsteinzeit über die Bronze- bis in die Eisenzeit hinein. 17 Erbgutproben des Pesterregers (Yersinia pestis) fand das Team, dem auch der Anthropologe Ron Pinhasi von der Universität Wien angehört. Mit der gegenüber früheren Studien höheren Anzahl an Proben könne man deutlich mehr über die Entwicklung und Ausbreitung von Y. pestis sagen, heißt es im Fachblatt „PNAS“.

Schon an die 6.200 Jahre alt

Dass die Menschen schon sehr lange von dem Erreger heimgesucht werden, belegen Funde des Erbgutes des Bakteriums in einem rund 5.000 Jahre alten Grab im heutigen Lettland, die in einer früheren Studie untersucht wurden. Da diese Person aber offenbar nicht hastig verscharrt wurde und andere dort begrabene Mitglieder der Jäger-Sammler-Gruppe keine Spuren des Erregers aufwiesen, scheint die Erkrankung damals anders verlaufen zu sein als bei den großen Pestausbrüchen wie etwa im Mittelalter. Diesen Befund teilen auch die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie. Auf Basis der neuen Gendaten schätzen sie, dass Y. pestis schon um die 6.200 Jahre alt sein könnte.

Erregerlinien verschieden gefährlich

Erregerfunde in Proben aus dem heutigen Tschechien, der Ukraine, dem Osten Kasachstans und aus der Mongolei zeigen nun, dass das Bakterium schon Jahrtausende vor den verheerenden Pandemien bereits sehr weite Wege zurückgelegt hat und noch verbreiteter war als zuvor angenommen. Zudem fanden die Fachleute den frühesten Beweis für eine prähistorische Pesterkrankung auf der Iberischen Halbinsel. Der datiert in etwa aus der Zeit zwischen 3.400 und 3.200 Jahren vor unserer Zeit.

Im Gegensatz zu den 16 anderen neuen Y. pestis-Genomen hatte dieser Typ alle genetischen Voraussetzungen, um von Flöhen übertragen zu werden. Der prähistorische Nachweis eines solchen Erregertypus gelang vorher nur bei einer um rund 500 Jahre älteren Probe aus der Region um Samara (Russland) rund 5.000 Kilometer entfernt. Zu jener Zeit waren also demnach verschiedenste offenbar relativ unabhängige Erregerlinien in weiten Teilen Eurasiens unterwegs, die sich wahrscheinlich in der Art der Übertragung und in ihrer Gefährlichkeit unterschieden.

Unklare Übertragungswege

Während bei den „moderneren“ Varianten die Übertragung vom Floh als Wirt über Nagetiere auf den Menschen wahrscheinlich sei, könne man über die Übertragungswege der anderen Varianten nur spekulieren, da es heutzutage keine nahen Verwandten von ihnen zum Vergleich mehr gibt, schreiben die Wissenschaftler. Dass sich der Erreger in verschiedenen Varianten schon damals so weit verbreitet hatte, dürfte auch damit zusammenhängen, dass sich der Aktionsradius vieler Gruppen vor rund 5.000 Jahren erweitert hat.

Viehzüchter wanderten damals in großer Zahl von den Steppen Zentralasiens gen Westen, es gab von Ochsen gezogene Wägen und das Pferd wurde domestiziert. Der Austausch zwischen Mensch, Nutz- und Wildtieren wurde damals verstärkt, was das Überspringen von Krankheiten erleichterte.