Ein kranker Mann liegt im Bett und misst Fieber.
APA/dpa/Andreas Gebert
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Omikron

Warum man sich mehrmals anstecken kann

Die Virusvariante Omikron ist besonders infektiös – das bekommen auch immer mehr Genesene zu spüren: Die Zahl der Mehrfachansteckungen stieg in diesem Jahr sprunghaft an. Die erste Abwehrreihe des Immunsystems kann Omikron offenbar nur zum Teil neutralisieren.

Die meisten kennen wohl mittlerweile jemanden, der oder die bereits zweimal eine CoV-Infektion hatte. Und selbst drei Infektionen kommen hin und wieder vor. Das zeigen auch die Statistiken: Im ersten Pandemiejahr gab es so gut wie keine Reinfektionen, letzten Dezember zählten die Behörden dann knapp dreieinhalbtausend, und im März waren es mehr als 130.000, ein einsamer Rekordwert. Florian Bachner von Gesundheit Österreich resümiert: „Der absolute Löwenanteil – 96 Prozent – aller Reinfektionen entfällt auf die Omikron-Periode.“

Die Kurve der Mehrfachinfektionen verläuft seit dem Aufkommen der Omikron-Variante also steil nach oben – das liegt unter anderem daran, dass sich diese Virusvariante von den bisherigen wie Alpha und Delta relativ stark weg entwickelt hat.

Immunschutz herabgesetzt

Der Omikron zugeordnete Ast im evolutiven Stammbaum liegt an anderer Stelle als jene der bisherigen Varianten – und das hat auch Konsequenzen für den Immunschutz. Sowohl für jenen, der durch eine Impfung aufgebaut wurde, als auch für jenen, der nach einer überwundenen Infektion entstanden ist.

Grundsätzlich gilt: Die Impfung schützt etwas besser vor einer Ansteckung als die natürliche Immunität. Was beide Formen der Immunität gleichermaßen betrifft: Seit Omikron das Infektionsgeschehen dominiert, hat auch der Schutz abgenommen. Laut Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, schützt eine frühere Infektion derzeit nur mehr zu 20 bis 40 Prozent vor einer Ansteckung mit Omikron.

Versuche mit Seren

Das kann auch Janine Kimpel von der MedUni Innsbruck bestätigen. Die Virologin und ihr Team haben kürzlich Blutseren von Genesenen (nach Infektionen mit Alpha bis Delta) mit Omikron-Viren behandelt – und festgestellt: Die Neutralisierung des Erregers war nachweislich herabgesetzt. „Die Variante ist so anders, dass ein Schutz vor der Ansteckung nicht mehr im gleichen Ausmaß gegeben ist“, sagt Kimpel gegenüber science.ORF.at. Am besten abgeschnitten in den Versuchen habe Serum von Probanden und Probandinnen mit doppelter Immunität, also Impfung plus Genesung.

T-Zellen aktiv, Antikörper weniger

Ein Blick in die Abwehrreihen des Immunsystems zeigt auf, wo genau Omikron quasi durchtauchen kann und wo es dem Virus nicht gelingt, das Immunsystem auszutricksen. Relativ unbeeinträchtigt ist durch Omikron die zelluläre Immunantwort, die vor allem vor den schweren Verläufen schützt. Die Reaktion der T-Zellen sei „auch bei Omikron relativ konserviert“, sagt Kimpel.

Anders sieht es dagegen in der ersten Abwehrformation des Immunsystems aus: Die neutralisierenden Antikörper, die vor einer Ansteckung schützen bzw. schützen sollten, haben Schwierigkeiten, an die Omikron-Variante zu binden. Das ist wohl einer der Hauptgründe dafür, dass die Zahl der Reinfektionen in jüngster Zeit so angestiegen ist. Was die schweren Krankheitsverläufe anlangt, ist die Bilanz zum Glück positiv: An den Intensivstationen der Krankenhäuser hat sich die Lage seit dem Auftreten von Omikron merklich entspannt.