Satellitenbild von Butscha
AFP/Satellite image ©2022 Maxar Tec
AFP/Satellite image ©2022 Maxar Tec
Digitale Forensik

Mit Bildern Kriegsverbrechen aufklären

Um Kriegsverbrechen zu beweisen, sind die Bilder von zerstörten Wohngebieten und toten Zivilisten ein Ausgangspunkt. Zuerst muss man allerdings ihre Echtheit prüfen. Wie ein internationaler Experte erklärt, steckt der Wahrheitsbeweis oft im Detail.

Sam Dubberley, Leiter des Digital Investigations Lab von Human Rights Watch arbeitet mit Satellitenbildern, aber auch mit privatem Bild- und Videomaterial aus sozialen Netzwerken, um Kriegsverbrechen aufzuklären. Der erste Schritt seiner Bildanalyse ist meist der Google-Bildercheck.

Manchmal kommt dann heraus, dass ein Bild nicht aus einem aktuellen Krieg stammt, sondern aus einem älteren Krieg in einer anderen Region. Wenn das Bild bei Google in keinem anderen Kontext auftaucht, folgt die Geolokalisierung. Ist auf einem Bild etwa eine Kirche zu sehen oder ein Geschäft, kann man das mit Satellitenbildern abgleichen.

Zeit und Ort überprüfen

Trotzdem könnte das Bild oder der Film älter sein als angegeben. Hier könnte das Wetter ein Hinweis sein oder maskentragende Menschen. Aber auch Tonmaterial spielt eine wichtige Rolle als Hinweisgeber, so Sam Dubberley. So könne man etwa hören, welche Sprache oder Akzent die Menschen vor Ort sprechen.

Mit Interviews abgleichen

Solche und viele andere kleine Details werden wie in einem Puzzle zusammengefügt, um ein Kriegsverbrechen zu beweisen. Das Team von Human Rights Watch arbeitet unter anderem aus Berlin und den USA, hat aber auch Mitarbeiter vor Ort, die Interviews machen.

Im Fall des Angriffs auf die ukrainische Stadt Kharkiv habe man Interviews mit Menschen gemacht, die an den zerstörten Wohnorten lebten. Deren Aussagen hätten sich dann mit dem gedeckt, was auf den Bildern zu sehen war.

Bilderflut kann hilfreich sein

Derzeit arbeiten Dubberley und sein Team daran, die Kriegsverbrechen von Butscha stichfest zu beweisen. Das brauche viel Zeit und beinhalte auch Gespräche mit Ärzten und anderen Experten. Die Bilderflut in den sozialen Medien helfe nur bedingt, denn nicht alles sei glaubwürdig. Andererseits gebe die schiere Masse an Material bei einem bestimmten Ereignis auch eine gewisse Sicherheit.

Massengrab in Butcha
AFP/SERGEI SUPINSKY
Massengrab in Butscha

So habe man zu Beginn des Krieges hunderte von Videos gehabt, die von dem Angriff und der Zerstörung in Kharkiv zeugen. Habe man nur ein oder zwei solcher Videos, müsse man sehr vorsichtig damit umgehen und das Material durch Interviews unbedingt verifizieren.

Deep Fakes als neue Herausforderung

In Zukunft werden wir vor allem mit Deep Fakes kämpfen, prognostiziert Sam Dubberley. Das sind gefälschte Bilder oder Videos, die mit künstlicher Intelligenz erstellt wurden. Zuletzt gab es ein solches Video, in dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angeblich aufgibt. Das konnte schnell aufgeklärt werden, aber die KI lernt mit, warnt Sam Dubberley.